100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Blockade in Preußen

Die Bildung einer neuen preußischen Regierung gestaltet sich schwierig, das Jenaer Volksblatt berichtet über die Weigerung der Sozialdemokratischen Partei, sich irgendeiner Koalition außer der alten anzuschließen. Gelobt wird hingegen die „vaterländische Rücksicht“ der Deutschen demokratischen Partei.

Flagge des Freistaats Preußen

Der Stand der preußischen Regierung

Unser Berliner Mitarbeiter schreibt uns zum Stande der preußischen Regierungsbildung, dem Nachrichtenmaterial, wie es scheint, etwas vorauseilend:

Nach unendlich schwierigen Verhandlungen ist nunmehr die Bildung der neuen preußischen Regierung zum Abschluß gebracht worden. Als letzter Weg, der überhaupt gangbar erschien, ist ein Kabinett von Zentrum und Demokraten übrig geblieben, das von fachmännischen Beamten und Ministern unterstützt wird. Die Deutsche demokratische Partei hat im Laufe der Verhandlungen über diesen letzten Tag keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie gegen diese Lösung die schwersten Bedecken hegt. Sie vertrat von Anfang an den Standpunkt, daß angesichts der wichtigen sachlichen Aufgaben, vor denen der Landtag steht, das ernsteste Augenmerk darauf gerichtet sein müsse, eine so breit als möglich fundierte Regierung zu bilden. Der Landtag steht vor der Verwaltungsreform, und er hat ein Zweimilliardendefizit zu beheben. Diese Aufgaben sind fachgemäß nur von einem Kabinett der breiten Mitte zu lösen. Das Wahlergebnis hatte der Deutschen demokratischen Partei eine ziffernmäßig schwache Vertretung gebracht, weshalb sich die Partei zurückhielt und sich darauf beschränkte, ihren Standpunkt in den interfraktionellen Verhandlungen mit Nachdruck zu vertreten. Durch parteitaktische Bindungen von links und rechts wurde einer natürlichen starken Regierung der Mittelparteien der Weg verlegt. Nunmehr galt es, diesen Gedanken in irgend einer anderen Form zu verwirklichen. Um der Sozialdemokratie diesen moralischen Vorwand zu nehmen, wird der Ministerpräsident sich einer Neuwahl unterziehen. Die Sozialdemokratie hat bisher jeder Regierungskombination außerhalb der alten Koalition die Opposition angesagt, obwohl sie weder die Personen, noch das Programm kannte. Sie hat es auch abgelehnt, sich an irgend einer Regierung zu beteiligen, die sich nicht ganz eng an dien Rahmen der alten Koalition hält. Dennoch besteht die Hoffnung, daß die Sozialdemokratie in Preußen einer neuen Lage gegenüber eine prüfende Stellung einnehmen wird. Diese neue Lage wird durch die Neuwahl des Ministerpräsidenten, durch die Ministerliste und das Programm des Kabinetts geschaffen. Es muss nun dem Pflichtgefühl aller Parteien überlassen bleiben, wie sie sich zu dem aus einer Zwangslage heraus entstandenen Ministerium und seinem Programm stellen wollen. Die Deutsche demokratische Partei hat geglaubt, sich dem dringenden Ersuchen der Zentrumsführer um Beteiligung an diesem Kabinett aus vaterländischer Rücksicht nicht versagen zu dürfen. Sie stellt lediglich die Staatsnotwendigkeiten in den Vordergrund, die eine streng sachliche und ehrlich freiheitliche Politik auf den Boden der freistaatlichen Verfassung erfordern.

Quelle:

Jenaer Volksblatt vom 21.4.1921

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273871/JVB_19210421_092_167758667_B1_001.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00371314

 

Bild:

Flag of Prussia (1918–1933) - Freistaat Preußen – Wikipedia