Die Sehnsucht nach dem Thron
Karl I. von Habsburg ist über zwei Jahre nach dem Zusammenbruch der KuK-Monarchie nicht mehr in Amt und Würden, doch wagt er nun einen Restaurationsversuch als König von Ungarn; nicht aber als österreichischer Kaiser. In der Republik Österreich wird die Aktion parteiübergreifend abgelehnt und auch die Entente ist dem „Osterausflügler“ auf den Fersen.
Die österreichische Republik gegen Habsburg.
Der österreichische Nationalrat hielt am Freitag in Wien eine Sitzung ab, um zu dem Restaurationsversuch des früheren Monarchen in Ungarn Stellung zu nehmen. Die Grundlage der Aussprache bildete ein dringlicher Antrag der Sozialdemokraten, in dem verlangt wird, daß die Regierung alle erforderlichen militärischen Vorbereitungsmaßregeln zum Schutze der Grenze gegen Ungarn ergreife, und Karl von Habsburg, falls er deutschösterreichischen Boden betreten sollte, verhaften lasse, und seine Durchreise in ein anderes Land nur als die eines Gefangenen der deutschösterreichischen Regierung und unter Bedingungen, die volle Bürgschaft gegen jede Störung der Sicherheit der Republik durch diese Reise gewähren, zu gestatten. Der sozialdemokratische Abgeordnete Seitz erklärte in der Begründung der Anfrage: Wir hoffen alle, daß dieses Abenteuer abgeschlossen ist. Wir wollen aber auch Garantien dafür haben, daß sich ein derartiger Streich nicht wiederholen kann. Wir haben nicht zu fürchten, daß irgendwo im Lande sich eine Kraft regt, die unsere demokratisch-republikanische Verfassung bedrohen könne. Dafür ist der feste Einheitswille des gesamten deutschösterreichischen Volkes uns Gewähr genug, vor allem auch der eiserne Wille der Arbeiterschaft wird diese zu verteidigen wissen. Wir wollen keinen Bürgerkrieg, wir wollen Ruhe im Lande und wir wollen nicht von einer fremden Soldateska unterdrückt werden.
Bundeskanzler Dr. Mayr betonte die Pflicht und die Verantwortung der Regierung gegen alle Ereignisse, die die verfassungsmäßige republikanische Staatsform gefährden könnten, rechtzeitig und mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Wenn auch die ungarische Königsfrage gewiß in erster Linie als eine interne ungarische Angelegenheit angesehen werden müsse, so habe sie doch unzweifelhaft internationalen Charakter. Der Bundeskanzler verwies auf die offiziellen Kundgebungen der Großmächte gegen eine Rückkehr der Dynastie Habsburg nach Ungarn, sowie auf den jetzt in Budapest erfolgten Schritt der Vertreter Rumäniens, Jugoslawiens und der Tschecho-Slowakei gegen eine Berufung König Karls auf den ungarischen Thron und bemerkte: auch für uns läge darin eine Gefährdung der inneren Ruhe unserer Republik. Die österreichische Regierung muß daher im Interesse des österreichischen Staates wünschen, daß ein solches Ereignis nicht eintritt, und ist aus diesem Grunde bereit, und sie hat es zum Teil schon getan, allen Großmächten und den Nachfolgestaaten mitzuteilen, daß sie eine Restauration eines Habsburgers in Ungarn als eine Bedrohung der friedlichen Entwicklung der österreichischen Republik ansehen müßte. Sie wird von den alliierten und assoziierten Mächten unverzüglich die baldigste Ratifizierung des Friedensvertrages von Trianon erbitten und besonders die baldige Uebergabe des Burgenlandes an Oesterreich verlangen. Sie wird gleichzeitig die Herabsetzung des ungarischen Heeres auf den im Friedensvertrage enthaltenen Stand im Interesse der Sicherheit Oesterreichs fordern. Die Regierung wird alle erforderlichen Vorbereitungen, militärischen Schutzmaßnahmen an den Grenzen gegen Ungarn treffen. Sie wird ferner im Falle der Rückreise des früheren Kaisers Karl aus Ungarn durch das Gebiet der Republik im Einvernehmen mit den Großmächten Frankreich, Großbritannien und Italien, welche diese Rückkehr zu beaufsichtigen wünschen und im Einvernehmen mit den Vertretern der politischen Parteien des Nationalrates alle jene Sicherheitsvorkehrungen treffen, welche die volle Bürgschaft gegen Störungen der Ruhe und Sicherheit der Republik durch diese Reise bieten. Die Regierung wird endlich alle Personen, welche dem früheren Kaiser gesetzwidrige Vertretung österreichischen Bodens ermöglichten, zur gesetzlichen Verantwortung ziehen.
Abg. Dr. Zinnhofer (großdeutsch) erklärte: Der unter den heutigen Verhältnissen in ganz Europa von Karl von Habsburg unternommene Osterausflug nach Ungarn sei ein Zeichen, daß er selbst und sein unverantwortlichen Ratgeber vollkommen volksfremd sein müssen. Die Geschichte könne nicht zurückgeschraubt werden. Die einzige vernünftige und richtige Staatsform für das Staatswesen ist die Republik, an der man festhalten müsse.
Die Entente und Habsburg.
Die Botschafterkonferenz beschloß gestern auf Antrag von Jules Cambon, der hierbei die Instruktion der französischen Regierung befolgte, folgende Erklärung:
Die Ereignisse in Ungarn legen den verbündeten Großmächten die Verpflichtung auf, die Regierung und dem Volke in Ungarn den Wortlaut ihrer Erklärung vom 4. Februar 1920 in Erinnerung zu rufen. Getreu den in dieser Erklärung ausgesprochenen Grundsätzen müssen die Verbündeten wiederholen, daß die Wiedereinsetzung der Habsburger die Grundlagen des Friedensvertrages in Gefahr bringen, und daß dies von ihnen weder anerkannt, noch geduldet werden könne. Die verbündeten Mächte rechnen darauf, daß die ungarische Regierung sich des Ernstes der Lage bewußt ist, die durch die Rückkehr des ehemaligen Herrschers auf den Thron in Ungarn geschaffen würde, und daß sie wirksame Maßnahmen ergreifen wird, um einem solchen Unternehmen Einhalt zu tun, dessen augenblicklicher Erfolg für Ungarn nur Unheil bringen könne.
Diese Erklärung wird der ungarischen Delegation bei der Friedenskonferenz mitgeteilt, nach Budapest telegraphiert und amtlich den Vertretern folgender Staaten mitgeteilt: Oesterreich, Südslawien, Tschecho-Slowakei, Polen und Armenien.