Ein Denkmal für die „Märzgefallenen“
Der Kapp-Putsch ist rund ein Jahr her und die thüringische Landeshauptstadt soll ein (privat finanziertes) Denkmal für die Todesopfer des Putsches erhalten. In Weimar waren am 15. März 1920 neun Teilnehmende einer Gegendemonstration von Kapp-treuen Soldaten erschossen worden. Schon die Entwürfe für das Denkmal sind umstritten. Das Rennen wird der „Bauhausentwurf“ machen, der unter der Leitung von Walter Gropius entstand.
Landeshauptstadt
Das Grabmal für die Opfer des Kapp-Putsches in Weimar gibt bürgerlichen Kreisen immer wieder Anlaß zu Auseinandersetzungen in der Presse. Dabei wird von einer „Sozialdemokratischen Denkmalskommission“ geschrieben. Es erscheint deshalb notwendig, festzustellen, daß die Denkmalskommission, die hier gemeint ist, von keiner politischen Partei ernannt, bestimmt, beauftragt, gewählt worden ist. Die wirtschaftliche Vertretung der Arbeiterschaft, das Gewerkschaftskartell, hat diese Kommission bestellt, die also mit irgend welcher Parteirichtung nichts zu tun hat. Mit dieser Feststellung soll nur dokumentiert werden, daß nicht nur ein Teil, sondern die gesamte Arbeiterschaft Weimars hinter dieser Denkmalskommission steht. Wenn in bürgerlichen Presseäußerungen behauptet wird, der Heisesche Entwurf sei gewählt, der Bauhausentwurf sei mit dem zweiten Preis ausgezeichnet und komme nicht mehr für die Kommission in Frage, und wenn weiter „Herren der Sozialdemokratischen Denkmalskommission“ gesagt haben sollen: „Wir sind entschieden“, so läßt sich dazu nur bemerken, daß jene bürgerlichen Interessenten an der Angelegenheit vom Wesen und Geist in der Arbeiterschaft nicht viel wisse, sonst hätten sie auf derlei unverbindliche Bemerkungen nicht solch Gewicht legen können. Es gibt Mitglieder der Denkmalskommission, die dem Heiseschen Entwurf den Vorzug geben; diese Kommissionmitglieder, vielleicht nur einer, mag gesagt haben, er habe sich für den Heiseschen Entwurf entschieden. Es kann aber kein Kommissionsmitglied sich in dem Sinne geäußert haben, wie jetzt in der bürgerlichen Presse behauptet wird. Gerade weil die Kommission sich auf einen bestimmten Entwurf nicht einigen konnte, deshalb gab sie die Entscheidung der Vollversammlung des Gewerkschaftskartells anheim. In dieser Vollversammlung waren der Bauhausentwurf und der Heisesche Entwurf ausgestellt. Es ist über beide sehr eingehend beraten und dann durch Abstimmung entschieden worden, welcher Entwurf zur Ausführung kommen soll. Und dabei ist der Bauhausentwurf mit großer Majorität zur Ausführung bestimmt worden. Wird aber von bürgerlicher Seite die Behauptung aufrecht erhalten, daß mit aller Bestimmtheit die Denkmalskommission den Heiseschen empfohlen habe, dann erscheint es doch notwendig, daß diese Behauptung mit Beweisen – nicht nur mit Redewendungen – gestützt wird, wenn nicht diese ganze bürgerliche Preßkampagne als eine „Hofkabale“ angesehen werden soll. Bei dieser Gelegenheit sei auch festgestellt, daß in der erwähnten Kartellsitzung von irgend einer Seite mitgeteilt wurde, dem Heiseschen Entwurf werde nachgeredet, ein ähnliches Denkmal stehe schon an einem anderen Ort. Darauf ist aber entgegnet worden: die dem Entwurf zugrunde liegende Idee sei vielfach in ähnlicher Ausführung an vielen Orten zu sehen, es sei eben die allgemein vertretene bürgerliche Idee vom Sterben und Auferstehen, von Sieg und Tod, die nichts enthalte, was den Zusammenhang mit den Opfern des Kapp-Putsches in Erinnerung bringe. Wenn aus diesen Erörterungen das Gerede entstanden ist, der Heisesche Entwurf sei ein Plagiat, enthalte keine eigene Idee, sei nur Nachbildung, so ist dies Gerede falsch. Die Auslassung hatten nur den Sinn, daß der Heisesche Entwurf nicht die Ideenwelt zum Ausdruck bringt, die von der Arbeiterschaft gerade bei diesem Denkmal als Erinnerungsmal des sieghaften Proletariats auch in der äußerlichen Form erkennbar dargestellt zu sehen gewünscht wird. Ob der Bauhausentwurf dieser Anschauung ganz gerecht wird, steht nicht mehr zur Erörterung, nachdem das Kartell als berufene wirtschaftliche Vertreterin der organisierten Weimarer Arbeiterschaft sich für den Bauhausentwurf entschieden hat. Im bürgerlichen Lager sollte man sich auch mit dieser Tatsache abfinden, wenn man nicht die Annahme erwecken will, daß aus bestimmten, aber bisher noch nicht öffentlich genannten Gründen der Heisesche Entwurf bevorzugt werden müßte. Nicht öffentlich wird ja schon erzählt, daß die von städtischen Beamten in Aussicht gestellte Unterstützung nicht kommen werde, weil man den Bauhausentwurf vorgezogen. Ob tatsächlich die Gemeindevertretung so handeln wird, wie angedeutet ist, muß abgewartet werden. An der Ausführung des Bauhausentwurfes und an der Aufstellung des Denkmals nach diesem Entwurf wird die Stadtvertretung gar nichts zu ändern vermögen. Der Auftrag zur Ausführung ist erteilt und die Arbeiten sind in Angriff genommen.
Quelle:
Das Volk vom 1.4.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00226548/Das_Volk_1921_04_0539.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00192368
Bild:
Monument to the March dead - Historischer Friedhof Weimar – Wikipedia