Hitzige Regierungserklärung im preußischen Landtag
Die neue preußische Landesregierung um Ministerpräsident Adam Stegerwald stellt sich der Debatte im Landtag. Neben Zustimmung zur neuen Koalition gibt es auch Ablehnung, insbesondere von Seiten der Sozialdemokratie.
Die Parteien und Stegerwald
Die Sozialdemokraten kündigen schärfste Opposition an
Nachdem am Freitag morgen Ministerpräsident Stegerwald dem preußischen Landtag sein Kabinett vorgestellt uns sein Programm dargelegt hatte, nahmen noch am Nachmittag desselben Tages die Parteien in einer sehr langgedehnten Aussprache Stellung zu dem neuen Ministerium.
Der Redner der Sozialdemokratie, Siering, sagte dem Ministerium Stegerwald den schärfsten Kampf an. Es sein ein Ministerium des Wortbruchs und Umfalls, ein Ministerium der Reaktion, das niemals das Vertrauen der Sozialdemokratie finden könnte.
Der greise Zentrumsführer Herold protestierte scharf gegen die Vorwürfe des Wortbruchs, die die Sozialdemokratie Stegerwald und dem Zentrum machte, und sprach dem Minister das Vertrauen aus. Der Deutschnationale Winkler sprach Stegerwalds gleichfalls aus Grund seines Programms das Vertrauen aus. Besonders wünschte er, daß das Kabinett für die ungeschwächte Einheit Preußens eintrete. Im gleichen Sinne sprach sich Abg. von Tampe von der Deutschen Volkspartei aus.
Für den Kommunisten Schulz und den Unabhängigen Ludwig ist das neue Kabinett natürlich noch viel schlimmer als das vorhergehende.
Den Höhepunkt der Debatte bildete eine zweite Rede Stegerwalds, der sich gegen Siering wandte und darlegte, warum er bei der Regierungsbildung nicht anders handeln konnte, saß er sich nicht dem Diktat einer sozialdemokratischen Minderheit fügen konnte, und daß er nicht die Deutsche Volkspartei, die im Reiche die Verantwortung mittrüge, gerade in den jetzigen schweren Tagen vor den Kopf stoßen könne. Neben den Parteiinteressen müßten jetzt endlich auch die Staatsinteressen wahrgenommen werden. Daher müsse er sich die Unterstützung dorther nehmen, wo er sie finde. Wie müßten endlich aus den Klassenpolitischen Betrachtung herauskommen zu einer wahren deutschen Volkspolitik.
Dann wurde die Weiterberatung abgebrochen und auf Sonnabend vertagt.
Quelle:
Rhön-Zeitung vom 25.4.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00172675/RhoenZ_1921-0373.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00202286
Bild:
Bundesarchiv Bild 102-10327, Dr. Adam Stegerwald - Adam Stegerwald – Wikipedia