Kampagne gegen Müller-Brandenburg
Der Chef der von ihm neu aufgebauten Thüringer Landespolizei Hermann Müller-Brandenburg (SPD) sieht sich nach dem Ende des Mitteldeutschen Aufstandes einer verstärkten Hetze durch die Rechtspresse ausgesetzt. Diese bezichtigt ihn mit den Kommunisten gemeinsame Sache zu machen. Gegen die dahinter stehende Anschuldigung zu weich gegen die Aufständischen vorgegangen zu sein versucht die SPD-Parteipresse anzukämpfen.
Der Angriff gegen den Leiter der Thüringer Landespolizei
Von
H. Leber, Mitglied des Thüringer Landtages.
Schon in meinem letzten Artikel, welcher am Montag, den 18. April, im „Volk“ veröffentlicht wurde, habe ich auch mit einigen Sätzen auf die Landespolizei Bezug genommen. Ich habe gezeigt, wie man gegen die „Rote Leitung“ Sturm läuft. Dieses Sturmlaufen, welches von den Thüringer Reaktionären aller Schattierungen veranlaßt worden ist, scheint auch bei der bürgerlichen Reichsregierung in Berlin ihren Widerhall gefunden zu haben. Denn wie konnte es sonst möglich sein, daß man gegen den Leiter der Landespolizei eine Untersuchung seitens des Reiches vornimmt, und zwar auf Grund von Denunziationen, als hätte der Major Müller-Brandenburg mit den Führern der Roten Armee Konferenzen abgehalten, Karten und Operationspläne ausgeliefert, damit auch in Thüringen derselbe Zustand einreißen sollte wie in der Provinz Sachsen. Wer in den Tagen vor Ostern und ebenfalls nach Ostern, sowie während der Osterfeiertage selbst auf dem Posten war, wird wissen, daß der Leiter der Landespolizei weder an solchen Blödsinn gedacht, geschweige denselben in die Tat umsetzen wollte. Es kommt also hier eine glatte Erfindung in Frage! Trotz alledem hat die Reichsregierung Herrn Oberregierungsrat Wagner bestimmt, in der Thüringer Landespolizei Untersuchungen anzustellen, weil dieselbe kommunistisch durchseucht und daher unzuverlässig sein soll. Es ist das derselbe Herr Wagner, der vor ungefähr 10 Tagen in Weimar Mitgliedern der Thüringer Regierung gegenüber sich als Monarchist vorstellte und dabei die Bemerkung machte: „Meine Herren! Sie müßten doch einsehen, daß man darauf hinarbeiten muß, daß in Deutschland die Monarchie baldigst wieder hergestellt werden kann.“ Daß ein solcher Herr in der demokratischen Republik Deutschland für geeignet befunden wird, eine ehrliche, auf dem Boden der Verfassung stehende republikanische Polizei zu untersuchen, ist einfach ein Skandal. Man stelle sich vor, ein Sozialdemokrat hätte im alten Beamten- und Obrigkeitsstaat monarchistische Einrichtungen im republikanischen Sinne beeinflussen wollen! Welches Geschrei hätte die gesamte alldeutsche Presse in bezug auf Umsturzbestrebungen angestimmt! Ganz abgesehen von den Strafen, die wegen Hoch- und Landesverrats obendrein noch gefolgt wären. Aber in der demokratischen Republik erlaubt sich eine bürgerliche, sozialistenreine Regierung derartige Aktionen, ohne mit der Wimper zu zucken.
Dieser noble Oberregierungsrat Wagner hat auch gar kein Hehl daraus gemacht, daß in der Landeshauptstadt Weimar sogar Beamte sitzen, die die Denunziationen abgefaßt und in Gestalt einer Schmähschrift weiter gegeben haben. Es sind auch bereits Herren genannt worden. Die gesamten Beamten in Weimar haben alle Ursache, darauf zu bringen, daß solche Elemente der Oeffentlichkeit bekannt gegeben werden, falls nicht der Verdacht auf alle Beamten zurückfallen soll.
Und nun zur Untersuchung selbst: Der Oberregierungsrat Wagner hat Beamte vernommen, die den Herrn Major Müller-Brandenburg insofern verdächtigen sollten, indem sie Auskunft geben sollten, ob überhaupt der Leiter der Landespolizei für das Amt reif sei und ob er denn eine größere Polizei kommandieren könnte? Wäre es nicht viel zweckmäßiger, die bürgerliche Reichsregierung würde Herrn Oberregierungsrat Wagner in die Reichswehr-Regimenter senden, damit dort mal eine Untersuchung vorgenommen würde, in welcher Weise die dortigen Offiziere sich mit der Republik abgefunden haben? Man würde schließlich feststellen können, daß viele darauf warten, um Gelegenheit zu bekommen, die jetzige Staatsform beseitigen zu können.
Wir Sozialdemokraten müssen auf das entschiedenste dagegen protestieren, daß man der Landespolizei, die ein unbedingt sicheres Werkzeug der Republik ist, die von einem Manne geleitet wird, der aus innerster Ueberzeugung Republikaner ist, solche Schwierigkeiten macht und dieselbe unterwühlt. Wir stellen die Frage: Warum hat die Thüringer Gesamtregierung sich nicht mit den außerordentlich wichtigen Vorgängen befaßt? Wir halten diese Vorkommnisse für wichtig genug, daß sofort der Thüringer Landtag zusammentreten müßte, um zu der Tätigkeit der Reichsregierung Stellung zu nehmen, bevor es zu spät ist.
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Die Thüringer Parteipresse wird um Abdruck gebeten.
Quelle:
Das Volk vom 23.4.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00226548/Das_Volk_1921_04_0687.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00192467