KPD ohne Maske
Paul Levi – neben Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht einer der Gründungsvorsitzenden der KPD – veröffentlicht eine ausführliche Broschüre über die Hintergründe des Mitteldeutschen Aufstandes. Die sozialdemokratische Presse jubiliert angesichts dieser Demaskierung der Kommunisten und tatsächlich wird sich Levi nach seinem Rauswurf aus der KPD wieder der Sozialdemokratie anschließen.
Anklage und Todesurteil
Levis Anklageschrift gegen die Schandbuben der „Roten Fahne“
Die K.P.D.-Zentrale schlimmer als Ludendorff – Kriegserklärung der Kommunisten gegen das Proletariat – Erschütternder Opferwille der von Verbrechern in den Tod gejagten Arbeiter
Es ist vorbei! Eine große Partei, wie es die kommunistische mit ihren 500.000 Anhängern gewesen war, bricht tödlich getroffen zusammen. Ueber und über mit Schmach und Schande bedeckt, die Verantwortung tragend für das vergossene Blut zahlloser Menschen, von der Arbeiterschaft der ganzen Welt gerichtet, so liegt sie jetzt am Boden und über sie hinweg wälzt sich erbarmungslos die Geschichte.
Wer die Streitschrift Dr. Paul Levis gegen die jetzige Zentralleitung der KPD. gelesen hat (sie erscheint im Verlag von A. Seehof & Co., Berlin, kostet, 3,60 M. und ist in der Volksbuchhandlung in Jena und Weimar vorrätig), der ist erschüttert über soviel konzentrierten Wahnsinn, der ringt nach Atem über die geradezu zynisch rohe Art und Weise, wie diese „Arbeiterführer“ mit Leben und Existenz Tausender von Proletariern spielten. Und man möchte jammern über die Vertrauensseligkeit der mitteldeutschen Arbeiter, die mit einer wunderbaren Opferbereitschaft nach den eigenen Worten Levis „Fähnlein um Fähnlein in den Kampf gingen – wie es die Zentral gebot. Fähnlein um Fähnlein in den Tod gingen – wie es die Zentrale gebot. Ave morituri te salutant – Die Toten grüßen Euch!“ Wie man Arbeiterleichen brauchte, um den Parteikessel zu heizen, wie diese Hölz-Banditen das Andenken Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts schändeten, das alles ist in dieser Broschüre zu lesen.
Wir drucken nachstehend einige Kapitel aus dieser Schrift, die den Namen führt „Unser Weg – Wider den Putschismus“, wörtlich ab und betonen ausdrücklich, daß alles Nachstehende aus der Feder des ersten Führers der Deutschen Kommunistischen Partei, von Dr. Paul Levi stammt:
Wie der Putsch inszeniert wurde
„Wie kam es zur der Aktion? Der erste Anstoß zu dieser Aktion kam nicht aus der deutschen Partei. Wir wissen nicht, wer dafür die Verantwortung trägt. Der Fall war schon häufiger, daß Abgesandte des Exekutivkomitees über ihre Vollmacht hinausgingen, d. h. daß sich nachträglich ergab, die Abgesandten hätten zu dem oder jenem keine Vollmachten gehabt. Wir sind also nicht in der Lage, dem Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale die Verantwortung zuzuschieben, wenngleich nicht verhellt werden darf, daß in Kreisen der Exekutive eine gewisse Mißstimmung über die „Inaktivität“ der Partei bestand. Abgesehen von schweren Fehlern in der Kappbewegung, konnten freilich positive Unterlassungen der deutschen Partei nicht nachgesagt werden. Es lag also ein gewisser starker Einfluß auf die Zentrale vor, jetzt, sofort und um jeden Preis in die Aktion einzutreten.
Und diese sofortige Aktion mußte dann begründet werden. In der Sitzung des Zentralausschusses vom 17. März d. J. führte ein verantwortlicher Redner folgendes aus:
„Ueber die allgemeine Lage ist dasselbe zu sagen, was Levi in der letzten Sitzung ausgeführt hat, nur daß sich seit dem Referat (vier Wochen zuvor!! Der Verfasser) die Gegensätze zwischen den imperialistischen Staaten verschärft haben, die Gegensätze zwischen Amerika und England sich zugespitzt haben. Wenn nicht durch eine Revolution eine andere Wendung eintritt, werden wir in Kürze (!! Der Verfasser) vor einem amerikanisch-englischen Krieg stehen …
Unter Einfluß wird über unsere Organisation von 400.000 bis 500.000 Mitgliedern hinausgehen. Ich behaupte, daß wir heute zwei bis drei Millionen nichtkommunistische Arbeiter im Reiche haben, die wir durch unsere kommunistische Organisation beeinflussen können, die in Aktionen, auch in Angriffsaktionen von uns, unter unserer Fahne kämpfen werden. Ist diese meine Auffassung richtig, dann verpflichtet uns dieser Stand der Dinge, daß wir den inner- und außerpolitischen Spannungen gegenüber uns nicht länger passiv verhalten können, nicht länger die außer- und innerpolitischen Dinge nur agitatorisch verwerten dürfen, sondern dann verpflichtet uns die jetzige Situation, mit Aktionen einzugreifen, um die Dinge in unserem Sinne zu ändern.“
Wir behaupten: in jeder Partei, die auf sich hält, würde ein verantwortliches Mitglied der Zeitung, das behauptet, in der Zeit von Mitte Februar bis Mitte März dieses Jahres hätten sich die Gegensätze zwischen den imperialistischen Staaten verschärft, die Gegensätze zwischen England und Amerika sich zugespitzt, daß wir „in Kürze vor einem englisch-amerikanischen Krieg stehen“, statt in die Leitung der Partei, in den Keller einer Kaltwasserheilanstalt gebracht. Es würde ein Mitglied der Leitung, das in einer so schwerwiegenden Entscheidung sich stützt auf „geheime Informationen“, „Dokumente, die nicht veröffentlicht werden dürfen“, „90 Prozent Wahrscheinlichkeit“ für einen Krieg, kurz – einen Bericht gibt, gegen den sich ein Weißmannscher Spitzelbericht wie ein Dokument von geschichtlichem Wert ausnimmt, schleunigst von seinem Posten entfernt. Und daran knüpft ein verantwortlich leitender Genosse noch die Milchmädchenrechnung von den zwei bis drei Millionen Nichtkommunisten, die auch in „Angriffsaktionen“ kämpfen werden – und das war die politische Basis für die Aktion, die kam!
Das ist das theoretische Lehrgebäude, in dem das Spiel über Sein und Nichtsein der Kommunistischen Partei Deutschlands gespielt wurde …
Das Neuartige, das den Bruch mit der Vergangenheit der KPD. bedeutet, ist die Auffassung, man könne die Kampfsituation auch schaffen durch unpolitische Mittel, durch Polizeispitzel-Manieren, durch Provokationen. Wie das mit der Provokation gemeint ist, hat ein anderer verantwortlicher Parteigenosse in einer anderer verantwortlicher Parteigenosse in einer anderen Sitzung enthüllt, die während der Aktion stattfand. Er sagte:
„Wir sind der Meinung, daß bei einer intensiven Propagandatätigkeit die Ruhe, mit der sich die Sipo bisher bewegte, verloren gehen wird und so die Arbeiterschaft gereizt wird, die heute in unserem Kampf nicht erfaßt wird.“
Und der gleiche Redner sagte späterhin – das war am 30. März, als die Aktion schon längst verloren war –:
„Wir müssen versuchen, einen geschickten Rückzug anzutreten, Konflikte erzeugen, die Sipo reizen, alle konterrevolutionären Elemente zu reizen. Wenn es uns gelingt, mit diesen Mitteln die Bewegung erzeugen (! der Verfasser), wird es zu Zusammenstößen kommen …“
Das freilich ist in der Geschichte der Partei, die Rosa Luxemburg gegründet hat, neuartig; es ist ein völliger Bruch mit der Vergangenheit, daß die Kommunisten arbeiten sollen wie Achtgroschenjungen, daß sie den Mord ihrer Brüder provozieren sollen. Man erspare uns den Beweis, daß diese letzte Deutung nicht zu weit geht und das, das wiederholen wir, war die neue theoretische Grundlage, auf der das Spiel begann.“
[…]
Quelle:
Das Volk vom 19.4.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00226548/Das_Volk_1921_04_0650.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00192463