Nachspiel des KPD-Aufstandes im Landtag
Kommunistische Versuche den Aufstand von Preußen auf Thüringen auszuweiten sind weitgehend erfolglos geblieben, dennoch hat der Landtag einige offene Fragen wie die Amnestierung von Beteiligten oder die Aufstockung der Polizeikräfte zu debattieren.
Orgesch braucht Leichen!
Lärmszenen in Weimar.
Weimar, 10. April.
Am Sonnabend standen zahlreiche Vorlagen zur Erledigung des Landtags. Im Anschluß an unseren Vorbericht sei der Entwurf über die Straffreiheit erwähnt. Die Rechte stellte einen Antrag, der die Regierungsvorlage außerordentlich stark einschränkte; die Linke wollte auch Straftaten bis zum 4. April unter das Gesetz fallen lassen und forderte in einem Antrage die Regierung auf, beim Reiche gegen die Ausnahmegerichte vorzugehen. Nun erhob sich eine große Debatte, in der die Gegensätze scharf aufeinander prallten. Herr Enders (Dem.) konnte sich’s nicht verkneifen, das Märchen, die Ausnahmegerichte Gen. Ebert aufs Konto zu setzen, zu kolportieren. Gen. Kieß wies ihn scharf aber sachlich zurück. Der Hauptkampf spielte sich aber zwischen den Extremen ab: Rechts v. Eichel und links der Kommunist Geithner-Gotha, der dreiviertel Jahr geschwiegen hatte und nun in mehreren Reden nachholte, was er bis dahin versäumt hatte. Zwischenrufe fielen von allen Seiten, es setzte Ordnungsrufe, aber der Orkan der Redeschlacht ließ erst nach, als sich’s die beiden Flanken „genug gesagt“ hatten. Schließlich wurde die Amnestievorlage in der Ausschußberatung angenommen.
Bei der Erhöhung der Landespolizei von 600 auf 1.200 Mann griff die Rechte die Gothaer Interpellation, bei der sie soviel Hiebe bekommen hatte, wieder auf und bekam nochmals gründliche Abfuhr. Wie schlecht sie selbst eingestehen, und Herr Wernick (L[and]-B[und]) sagte auch: Die Regie gegen uns hat gestern geklappt. Minister v. Brandenstein hieb mit voller Wucht auf die Spiegelfechter der Rechten ein, so daß sie schwer seufzten: Behandelt man so Parlamentarier? Alles Zetern der Rechten aber half nichts. Der Regierung blieb der große Erfolg, in Thüringen Ruhe gehalten zu haben. Das unterstrich nochmals Minister Gen. Frölich in scharfen Worten, so daß die Rechte aufhorchte, denn sie hatte gehofft, Brandenstein zu isolieren. Die Redner der Linken formulierten dann die Unzufriedenheit der Rechten über die Ruhe und Ordnung in Thüringen: Die Rechte will Mechterstedt wiederholen! Orgesch braucht Leichen!
Herr v. Eichel antwortete wutentbrannt, aber was er sagte, war nur eine Betätigung, daß die Rechte sehr viel mehr über den Putsch und seine Ursachen weiß als andere und wohl auch noch mehr gewollt hat. Die Rechte muß sehr tüchtige Lockspitzel haben. Wir bedauern nur die Arbeiter, die auf solche Niedertracht hereinfallen. Herr v. Eichel verriet auch, daß sich die Rechte mit ihren bisherigen Erfolgen in Mitteldeutschland nicht zufrieden geben würde. Es soll demnächst weitergehen!
Werden nun die Kommunisten einsehen, wessen Geschäfte sie machen, ja auf wessen Pfiff hin sie arbeiten?!
(Sitzungsbericht in morgiger Nummer.)
Quelle:
Das Volk vom 11.4.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00226548/Das_Volk_1921_04_0603.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00192378