Tod einer Thüringer Prinzessin
Hochbetagt stirbt Prinzessin Marie in Bad Reichenhall und mit ihr erlischt das Geschlecht derer von Schwarzburg-Sondershausen. Die Zweiglinie Schwarzburg-Rudolstadt wird noch rund 50 Jahre weiterexistieren. Für den „Deutschen“ ist die Nachricht Anlass verklärend an die „gute, alte Zeit“ zu erinnern.
Prinzessin Marie von Schwarzburg-Sondershausen †
Bad Reichenhall, 21. April 1921. Heute morgen verschied nach längerer Krankheit Prinzessin Marie von Schwarzburg-Sondershausen im Alter von 84 Jahren. Mit ihrem Tod ist die Linie Schwarzburg-Sondershausen ausgestorben.
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Im hohen Alter von nahezu 84 Jahren ist die letzte Prinzessin aus der Sondershäuser Linie des Schwarzburgischen Fürstenhauses heimgegangen. Prinzessin Marie Pauline Karoline Luise Wilhelmine Auguste war am 14. Juni 1837 als Tochter des Fürsten Günther Friedrich Carl II. und seiner zweiten Gemahlin, der Fürstin Mathilde geb. Prinzessin von Hohenlohe-Oehringen, hier in Sondershausen geboren. Prinzessin Marie war also eine Halbschwester des letzten Sondershäuser Fürsten Karl Günther. Ihre Kinder- und Jugendjahre verlebte Prinzeß Marie in Sondershausen; ihre Ausbildung wurde mit einem Aufenthalt in Dresden abgeschlossen. Inzwischen hatten sich ihre Eltern getrennt. Prinzessin Marie schloß sich ihrer Mutter an und teilte deren Aufenthaltsort, namentlich das Schloß Mirabell bei Salzburg. Nach dem Tode der Mutter lebte die Prinzessin, abgesehen von einigen Jahren in Arnstadt, meist im Süden Deutschlands, in Berchtesgaden, Reichenhall und Salzburg. Die Sehnsucht nach der Heimat zog sie zwar immer wieder in die Schwarzburger Lande, doch mußten verschiedene Versuche, einen dauernden Aufenthalt in dem von ihre besonders geliebten Arnstadt zu nehmen, aufgegeben werden, da sich das Klima immer wieder als ihrer Gesundheit nicht zuträglich erwies. So weilte sie denn vorwiegend in süddeutschen Städten und in Oesterreich, zuletzt seit 1908 in Graz, wo sie auch die schweren Kriegsjahre miterlebte. Im Jahre 1918 siedelte sie dann schließlich nach Reichenhall über. Trotz dieser räumlichen Trennung nahm sie immer wärmsten Anteil an allen Geschehnissen im Schwarzburger Lande, dem sie immer eine rührende Anhänglichkeit bewahrte. Durch einen regen Gedankenaustausch im Briefwechsel mit früheren Freunden und Freundinnen aus allen Kreisen der Bevölkerung blieb sie mit der Heimat in enger innerer Verbindung.
Ein Festtag war es ihr, wenn sie einen Besucher aus der Heimat bewillkommnen durfte und manchem, der es erlebte, wird ihre wohltuende Gastfreundschaft und herzliche Freude unvergeßlich sein. Zwar von zarter Gesundheit, hatte sie sich doch bis in ihr hohes Alter ihre geistige und körperliche Frische bewahrt. Nun ist sie dahingegangen und mit ihr erlischt die Linie Sondershausen des Schwarzburgischen Fürstenhauses auch im weiblichen Stamme. Der fürstliche Name Schwarzburg-Sondershausen hat somit nur noch eine einzige Trägerin: Ihre Hoheit die Fürstin-Witwe, die von Geburt dem herzoglichen Hause Sachsen-Altenburg angehört. Wenn Dankbarkeit heutzutage auch sehr unmodern geworden ist, so muß dieser Trauerfall im Herzen vieler treuer Schwarzburger die Erinnerung wecken an eine Zeit glücklichster Harmonie zwischen Fürstenhaus und Bevölkerung, an eine Zeit, die uns die „Segnungen“ der Revolution nicht vergessen machen können, an die wirklich gute, alte Zeit!
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Die Beisetzung findet Anfang der kommenden Woche im Mausoleum hinter der Trinitatiskirche statt. Die Bevölkerung wird es sich nicht nehmen lassen, ihrer Anhänglichkeit zu der Entschlafenen durch den Aushang von Trauerfahnen Ausdruck zu verleihen.
Quelle:
Der Deutsche vom 22.4.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00247701/SDH_19376538_1921_Der_Deutsche_0403.tif
Bild:
Schwarzburg-Wappen - Schwarzburg (Adelsgeschlecht) – Wikipedia