100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Ende des oberschlesischen Aufstandes

Nach Demonstrationen, Schlägereien, Schießereien und dem Niederbrennen von Dörfern legten die Konfliktparteien die Waffen nieder. Die Aufständischen konnten zwar keinen Anschluss an Polen erreichen, aber die Einrichtung einer gemischtsprachigen Hilfspolizei und die Ausweisung jüngst zugezogener Deutscher durchsetzen. Beide Schritte sollte einer deutschen Beeinflussung der für 1921 angesetzten Volksabstimmung vorbeugen.

Gedenktafel für Korfanty an der Universität Breslau

Beruhigung in Oberschlesien.

Gemeinsamer deutsch-polnischer Aufruf.

Beuthen, 28. August. Die Vertreter der deutschen und der polnischen politischen Parteien und Gewerkschaften haben heute folgenden Aufruf unterzeichnet:

An das oberschlesische Volk!

Genug des Blutes und des Schreckens! Die Vertreter der deutschen und der polnischen Sache haben sich zusammengefunden, um unseren Volke Ruhe, Frieden und ungestörte Arbeit wiederzugeben.

Wir alle wollen die Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes. In Beratungen haben wir den Weg zur Verständigung auf folgender Grundlage, ohne den bestehenden Gesetzen vorzugreifen, gefunden:

1. Entfernung der Sicherheitswehr und Ersatz derselben bis zur möglichst baldigen Bildung einer Abstimmungspolizei durch eine gesetzliche Hilfspolizei, die sich zur Hälfte aus oberschlesischen Polen und Deutschen zusammensetzt.

2. Ausweitung derjenigen, welche nach dem 1. August 1919 nach Oberschlesien zugezogen sind, ausgenommen diejenigen, die durch berufliche, geschäftliche und sonstige billige Interessen der Betreffenden gerechtfertigt sind, begutachtet durch eine für jeden Kreis zu bildende paritätische aus Deutschen und Polen zusammengesetzte Kommission unter Vorsitz eines Vertreters der alliierten Kommission.

Die Verordnung hat nur den Zweck, diejenigen Elemente zu treffen, die nach Oberschlesien gekommen sind, um in ungesetzlicher Weise oder unter Mißbrauch der Amtsgewalt die Abstimmung zu beeinflussen.

3. Weigerung, die Waffen niederzulegen oder abzugeben, oder der unrechtmäßige Besitz soll mit den schärfsten Strafen, mindestens mit einjähriger Zuchthausstrafe, geahndet werden.

4. Jeder Terror gegen anders Denkende hat zu unterbleiben. Insbesondere ist jede Entwicklung durch Gewalttätigkeit oder Drohung in Arbeitsbetrieben oder im Privatleben, jeder Zwang wegen Zugehörigkeit zu einer politischen oder wirtschaftlichen Organisation untersagt. Jeder Mißbrauch der Amtsgewalt oder Stellung als Vorgesetzter hat zu unterbleiben. Zur Überwachung der Durchführung dieser Vereinbarungen soll für das deutsche Abstimmungsgebiet die paritätische Kommission aus Deutschen und Polen unter Vorsitz eines Vertreters der interalliierten Kommission gebildet werden.

Laßt darum ab von allen Gewalttaten, legt die Waffen nieder, kehrt zu Eurem Tagewerk zurück!

An erster Stelle unterzeichnet für die Deutschen:

Dr. Urbanek und Pfarrer Ulitzka

Für die Polen: Korfanty

Quelle:

Jenaer Volksblatt vom 30.8.1920

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273675/JVB_19200830_203_167758667_B1_001.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00371096

 

Bild:

https://en.wikipedia.org/wiki/Wojciech_Korfanty#/media/File:Tablica_UWr_Korfanty.jpg