Einheit auch im Glauben
Nicht nur die weltlichen, thüringischen Einzelstaaten streben den Zusammenschluss hin zu einem vereinten Thüringen an, sondern auch die Vertreter der geistlichen Belange möchten sich in einer Thüringer Landeskirche vereinen. Hierfür trafen sich die jeweiligen Abgeordneten der evangelischen Kirche zu einer Synode in Jena und bestimmen den sofortigen Zusammenschluss. In der Praxis stehen die evangelischen Geistlichen vielfach weit rechts und kämpfen gegen die vermeintlich „verjudete“ Arbeiterbewegung an (Bild).
Zusammenschluss der Thüringer Landeskirchen.
Erste Thüringer Gesamtsynode zum Zusammenschluss der Thüringer Landeskirchen.
Der Vorsitzende Stichling teilt vorgreifend mit, daß die Kommission die Vorlage über den Zusammenschluss einstimmig angenommen habe. Etliche unwesentliche Änderungen haben einen Neudruck nötig gemacht, der wegen der ungeheuren und langanhaltenden Arbeit der Kommission noch nicht eingetroffen sei. Er bittet, den Verhandlungsbeginn auf 12 Uhr verlegen zu dürfen.
Die neue Vorlage der Kommission lautet:
Beschluss der ersten Thüringer Synode über den Zusammenschluss der Thüringer Landeskirchen.
Artikel 1.
Die evangelischen Landeskirchen von Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen schließen sich zu einer einheitlichen Thüringer evangelischen Kirche zusammen. Diese ist die Rechtsnachfolgerin in ihr aufgehenden Landeskirchen.
Artikel 2.
Der Bekenntnisgrund im Bereich der bisherigen Landeskirchen bleibt durch die Gesetzgebung unberührt. Auf die kirchliche Eigenart der Landschaften ist in der Verwaltung gebührend Rücksicht zu nehmen. Kirchlichen Minderheiten ist ihr Recht auf religiöses Eigenleben zu gewährleisten.
[…]
Abg. Rittergutbesitzer von Eichel-Streiber ergreift das Wort zur Berichterstattung: Der Ernst der Stunde und das Bewusstsein der Verantwortung hat alles Trennende und kleinliche ausgeschaltet. Ernster und ehrlicher Wille zur guten Tat hat die Kommission zu dem Ziele gebracht, die neue Vorlage einstimmig anzunehmen. Der Vortrag von Geh. Kirchenrat Rahlwes in der ersten Plenarsitzung ist die leitende Idee und er Gegenstand der Kommissionsberatung gewesen. Der Berichterstatter fast nochmals kurz die Gedanken D. Rahlwes zusammen: Der geeignete Zeitpunkt ist da für die unbedingt notwendige Forderung des Zusammenschlusses der Thüringischen Landeskirchen aus Rücksicht auf staatspolitische Einrichtungen und - das ist wohl die Haupttriebfeder - aus inneren kirchlichen Gründen. Er fügt noch hinzu, daß die Kirche auch Kraft gewänne zur Lösung charitativer Aufgaben. - In der Kommission hat es zwei Strömungen gegeben; eine, die sich inhaltlich mit den Ausführungen D. Rahlwes deckt, und besonders noch darauf hinweist, wieviele große Werte der Gesamtkirche durch allmählichen Zusammenschluss verloren gehen. Sie tritt für sofortige Einigung ein. - Die andere Richtung fordert Bildung einer Bundeskirche (natürlich mit dem Ziele der Einigung). Ihr Standpunkt ist, daß sich die Einzelkirchen mit den Einzelstaaten auseinanderzusetzen und zu diesem Zwecke für eine längere Übergangszeit ihre Selbstständigkeit zu bewahren haben. - Die Sachverständigen der Kirchenregierung betonen in der Kommission, daß auf jeden Fall ein durchgreifender Beschluss nötig sei. Nur durch sofortigen Zusammenschluss, nicht durch allmählichen Aufbau können für die Kirche klare Rechtsgrundlagen geschaffen werden, könne die Kirche Rechtssubjekt werden. - So kam man zur dem Entschlusse, die Vorlage in dieser neuen Form abzufassen, die von der Kommission einstimmig angenommen wurde. Möge Gott der Thüringer Kirche zu vollstem Erstehen verhelfen. […]
Quelle:
Jenaer Volksblatt vom 7.12.1919 (Abend)
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00259209/JVB_19191207_286_167758667_B2_001.tif?logicalDiv=jportal_jparticle_00652891
Bild:
https://de.wikipedia.org/wiki/Evangelisch-Lutherische_Kirche_in_Th%C3%BCringen#/media/Datei:Annonce_Eichel-Streiber_1920.jpg