100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Die Not der Staatsdiener

Der Reichstag debattiert die Entlohnung der Beamten, was aufgrund der rapiden Inflation mehr als nötig ist. Entgegen dem Klischeebild vom gutverdienenden Beamten waren die Staatsdiener zu Beginn der Weimarer Republik nämlich von extremer Existenznot betroffen. Die Regierung wiederum fürchtet die finanziellen Belastungen und einen möglichen Staatsbankrott.

Karikatur des Simplicissimus

Beamten-Sprengpulver

Die Frage der Beamtenbesoldung ist längst aus einer rein wirtschaftlichen zu einer hochpolitischen geworden. Auf Seiten der Beamten wurde diese unerwünschte Entwicklung durch die Drohung mit dem Beamtenstreik gefördert. Auf Seiten der Parteien ist die Politik durch parteipolitische Uneinigkeit hineingetragen worden. Die Mehrheitsparteien hatten sich mit der Regierung mühsam darauf geeinigt, daß lediglich den kinderreichen Beamten durch Kinderzulagen geholfen werde. Im Haushaltsausschuß ließen sich die Oppositionsparteien nach langen Verhandlungen bereit finden, dem Kompromiß zuzustimmen. Neuerdings haben aber die Fraktionen der Deutschnationalen und der Mehrheitssozialisten dies Kompromiß wieder durchbrochen, indem sie beschlossen, Abänderungsanträge einzubringen, die über die letzten Vereinbarungen hinausgehen und zehnprozentige allgemeine Teuerungszuschlagen vorsehen. Durch diese Abänderungsanträge ist die Gefahr heraufbeschworen, daß das Kompromiß der Mittelparteien, das schließlich, wenn auch widerwillig, von der Reichsregierung angenommen worden war, zu Fall gebracht wird. Dann würde nicht nur der Reichsfinanzminister Dr. Wirth, sondern auch die Regierung den Rücktritt erklären müssen. Was für weitere politische Folgen daraus entstehen könnten, ist nicht vorauszusehen. Es waren deshalb am Dienstag nachmittag im Reichstag lebhafte Verhandlungen im Gange, um in letzter Stunde noch eine Verständigung herbeizuführen. Die Regierungsparteien erwägen, ob innerhalb der vom Hauptausschuss bewilligten Mittel eine andere Verteilung dergestalt möglich sei, daß der Teuerungszuschlag allgemein zu gewähren und dann die vorgesehenen Kinderbeihilfen entsprechend zu kürzen seien. Die Regierung wollte demgegenüber aus den bekannten Gründen von den bisherigen Beschlüssen nicht abgehen und wies darauf hin, daß keinesfalls der Reichsrat zustimmen würde.

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Mindestforderungen der Beamten

Berlin, 7. Dezember. Der Gesamtverband der Beamten- und Angestellten-Gewerkschaften hat der Regierung und dem Reichstage Mindestforderungen auf Erhöhung der Teuerungszulagen, Kinderbeihilfen und Auszahlung der Beträge noch vor Weihnachten überreicht.

Quelle:

Jenaer Volksblatt vom 8.12.1920

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273760/JVB_19201208_288_167758667_B1_001.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00371181

 

Bild:

http://www.simplicissimus.info/uploads/tx_lombkswjournaldb/pdf/1/25/25_32.pdf