100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Eine neue Polizei für Thüringen

Nach langer Vorarbeit durch den Staatsrat kann der Thüringer Landtag endlich die Polizeireform beschließen. In der Landtagsdebatte zeigt sich der Widerstand von rechts, aber wie Minister Carl von Brandenstein ausführt war der Regierung nach dem Kapp-Putsch die Unterstützung der Linken wichtiger, um die gesellschaftlichen Gräben nicht noch mehr zu vertiefen.

Hermann Brill (USPD, später SPD)

Die Bildung der Thüringer Staatspolizei im Landtag angenommen.

Die Rechte und der Landbund stimmen dagegen. –

Sozialdemokraten und Demokraten nehmen die Staatspolizei an.

Die Sitzung vom Freitag, über deren Hauptpunkt, Bildung der Staatspolizei Thüringen, bereits kurz berichtet wurde, trug so etwas wie den Charakter eines großen Tages. In der ersten Lesung der Vorlage, die man immer mit der Person des Ministers v. Brandenstein in Verbindung brachte und von der gesagt wurde, es handle sich bei der Staatspolizei um eine Schutzgarde für Herrn v. Brandenstein, war man stark kritisch vorgegangen und es hatte beinahe den Anschein, als solle die Vorlage an den befürwortenden Persönlichkeiten scheitern. Einzelne Blätter in Thüringen, vor allem aber auch solche, die gar keine Thüringer Organe sind, sondern die nach Preußen gehören, führten einen scharfen Kampf gegen den Führer der neuen Staatspolizei, Major Müller-Brandenburg, und den Minister v. Brandenstein und damit gegen die ganze von diesen beiden Persönlichkeiten befürwortete Organisation. Dieser Kampf wurde leider nicht immer sachlich geführt, ja es war den Angegriffenen kaum möglich, alle falschen Angaben und persönlichen Anzapfungen zu berichtigen. Auch eine gewisse Gruppe der städtischen Polizeibeamten und der Landesgendarmerie lehnten die neue Staatspolizei ab, die nun aber doch genehmigt wurde. Man kann nun gespannt sein, wie rasch sich gewisse Gegner des Herrn Müller-Brandenburg und seiner Polizei diesem gegenüber auf den Boden der gegebenen Tatsachen stellen. Die W. L.-Ztg. „Deutschland“ hat der ganzen Angelegenheit von vornherein objektiv und abwartend gegenüber gestanden und sich vor allem an den teilweise sehr gehässigen persönlichen Angriffen der genannten Persönlichkeiten nicht beteiligt.

[…]

Zu dem Gegenstande liegt folgende Entschließung des Abg. Brill (U. Soz.) vor: „Der Landtag wolle beschließen, baldtunlichst eine Vorlage über die Vereinheitlichung der Organisation und des Dienstbetriebs der gesamten Polizeikräfte, sowie ein einheitliches thüringisches Polizeirecht auszuarbeiten. Die Frage der Verstaatlichung ist unter Berücksichtigung der Verhältnisse in den anderen deutschen Ländern eingehend zu erörtern. Die zu diesen Arbeiten notwendigen Kräfte sind aus dem bestehenden staatlichen und kommunalen Beamtenkörper heranzuziehen.“ Diese Entschließung wird in die Debatte einbezogen.

[…]

Staatsminister v. Brandenstein: Auch das Vertrauen der links gerichteten Kreise war erforderlich und in diesem Falle schwerer zu erlangen nach den Ereignissen im März; deshalb verhandelte ich vorher besonders mit den Linksparteien. Bezüglich der Indemnität [d. h. der Immunität der Abgeordneten, Anm.] betone ich nochmals, daß im Juli noch keine Vorlage gemacht werden konnte, da sich damals der Landtag nur mit der Regierungsbildung befaßte; die Frage der Staatspolizei trat erst später auf und dann erst beschäftigte sich der Staatsrat damit; die Ministerien wurden ja auch dann erst vorbereitet; es galt aber, die Vorarbeiten bald zu beginnen, um die Schaffung der Polizei nicht zu sehr zu verzögern. Gerade die Rechtspresse hat ja früher in erster Linie immer nach Polizei gerufen, müßte also mit deren Aufstellung ganz besonders einverstanden sein. Was das hier erwähnte Waffenlager in Hildburghausen anbetrifft, so handelt es sich anscheinend um Waffen aus früheren Reichswehrbeständen; jedenfalls stammen die Waffen nicht aus Privathänden. Die Polizeiposten werden für die Gemeinden durch geringere Einstellung doch vermindert, indem wir Kommandos zur Unterstützung der Ortspolizei abgeben. Es ist klar, daß hier wie bei allen Neueinrichtungen, die in einem noch unfertigen Lande getroffen werden müssen, auch weiterhin mit Schwierigkeiten zu rechnen sein wird, die aber sich alle überwunden werden können.

[…]

Sodann wird der Antrag, dem Staatsrat Indemnität zu gewähren, in namentlicher Abstimmung mit 28 Stimmen der Demokraten und Sozialdemokraten gegen 23 Stimmen der Rechtsparteien angenommen. Der Gesetzentwurf mit Haushaltsplan wird ebenso mit 26 gegen 23 Stimmen angenommen. Endlich stimmt das Haus auch der Entschließung Brill zu.

Quelle:

Weimarische Landes-Zeitung vom 5.12.1920

 

Bild:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Brill#/media/Datei:Bundesarchiv_Bild_146-1974-008-05,_Hermann_Louis_Brill.jpg