100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Gemeinsam gegen die Bourgeoisie

In Berlin fusioniert die linke USPD-Abspaltung mit der bereits existierenden KPD zur Vereinigten Kommunistischen Partei Deutschlands (VKPD). In diese Feierlichkeiten sind Vertreter verschiedener kommunistischer Parteien eingebunden, die den Zusammenhalt der Dritten Internationale verdeutlichen sollen.

Der Parteivorsitzende Paul Levi

Verschmelzungsparteitag der Kommunisten.

Am Sonnabend vormittag begann im großen Saale des Berliner Lehrervereinshauses der Verschmelzungsparteitag der linken USP. und der KPD. Der Saal ist festlich geschmückt. Auf den mit roten Tüchern drapierten Galerien drängte sich Kopf an Kopf die Menge der Zuschauer. Ueber dem Podium ist in großen einfachen Linien, ohne pompöse Ornamente das Wahrzeichen Sowjetrußlands angebracht: der rote Sowjetstern, der übereinander gekreuzt Hammer und Sicher, das Wahrzeichen der Bauern und Arbeiter, das Symbol des Schaffens, aber auch des Kampfes trägt.

Pünktlich um 10 Uhr eröffnete der provisorische Vorsitzende, Genosse Braß-Remscheid, mit einigen einleitenden Worten den Parteitag.

Dieser Parteitag soll die Vereinigung des revolutionären Proletariats Deutschland bringen. Hier wird der Boden geschaffen, auf dem sich die zur Tat bereiten proletarischen Massen sammeln. Die Reaktion erhebt immer dreister das Haupt. Wir müssen unsere Arbeit erledigen in kameradschaftlichem, kommunistischem Geist. Zwei Ströme der Arbeiterbewegung fließen zusammen: sie müssen so miteinander verschmelzen, daß später niemand mehr erkennt, von welcher Seite der einzelne gekommen ist. Wir übernehmen gewaltige Pflichten, aber wir wollen sie erfüllen. In diesem Sinne eröffne ich den Parteitag.

Im Namen der Berliner Arbeiter heißt Gen. Schindler die erschienenen Delegierten willkommen:

Es gilt, die organisatorischen Folgen aus dem Kongreß von Halle zu ziehen. Wir müssen geschlossen den Kampf gegen die Bourgeoisie aufnehmen. Dieser Parteitag wird die Marschroute geben für die kommenden Kämpfe.

Unser Kampf wird hartnäckig und schwer sein. Wir geloben alles zu tun, um die Revolution vorwärtszutreiben unter dem Banner der Kommunistischen Internationale. (Beifall).

Die Vorschläge der gestrigen Einzelparteitage über die Büro- und Kommissionsbildung werden angenommen. Zu Vorsitzenden werden Pieck und Braß gewählt, ins Büro Plettner, Remmele, Sievers und König. Die Mandatsprüfungskommission, bestehend aus den Genossen Paul Levi, Ernst Däumig, Thalheimer, Kurt Geyer, Brandler, Klara Zetkin, Stoecker und Koenen, werden bestätigt.

Übersicht zur organisatorischen Entwicklung der KPD

Die Vertreter der ausländischen Bruderparteien

erhalten nunmehr zu Begrüßungsansprachen das Wort. Es sind erschienen die Genossen Robert Williams von der KP. Großbritanniens und dem englischen Transportarbeiterverband, Bringolf von der Linken der Schweizer Sozialdemokratie (die Genossen Welti und Rosa Grimm, die gestern in Berlin waren, mußten, um am gleichzeitig stattfindenden Schweizer Parteitag teilnehmen zu können, gleich wieder abreisen), Dolezal von der Tschecho-Slowakischen Linken, Neurath von der deutschen linken Sozialdemokratie der Tschecho-Slowakei, Cedon von der KP. Hollands und Kovatzes von der KP. Ungarns.

Ansprache des Genossen Williams (London). Von stürmischen Beifall begrüßt, sagte Williams: Ich überbringe im Namen der britischen KP. der Vereinigten KP. Deutschlands brüderliche Grüße. Wir, die wir den Krieg gewonnen zu haben behaupten, können auch nicht die wirtschaftlichen Folgen des Versailler Friedensvertrages ertragen. Eine große wachsende Armee von Arbeitslosen besteht bei uns ganz wie bei Euch. Die englische Arbeiterklasse hat keinen Vorteil durch die Deutschland fortgenommenen Schiffe erhalten, genau wie die französische Arbeiterklasse keinen Vorteil aus der Kohle hat, die man dem deutschen Proletariat raubt. Man hat den Leichnam der Zweiten Internationale nach London gebracht. Der Londoner Kongreß hat kein Wort der Beurteilung für den weißen Terror in Amerika, Ungarn, Finnland und Irland gefunden. Aber er hat die Unterdrückung der konterrevolutionären Machenschaften durch unsere russischen Genossen heftig angegriffen. Ich war als Mitglied der englischen Arbeiterdelegation 5 Wochen in Sowjetrußland und ich erkläre: Wenn die kommunistische Regierung seit Oktober 1917 ihre großen aufbauenden Pläne hätte im Frieden durchführen können, wäre Rußland heute das reichste Land der Welt.

In England hat der Dreiund der Bergleute, Eisenbahner und Transportarbeiter 1913 und 1919 gegen die militärische Intervention in Rußland, gegen die Unterdrückung Koltschaks, Denikins und Judenitschs gekämpft. Der Aktionsschutz der englischen Arbeiter ist der allbritische Sowjet im Keime. Unsere Arbeiter werden im Gebrauch der Streikwaffe geschult. Unsere Arbeiterbewegung befindet sich im Uebergangsstadium. Die Independent Labour Party spaltet sich. Das britische Proletariat sendet Euch seine Grüße. Mögen wir bald ein rotes England, ein rotes Deutschland vereinigt im Kampfe gegen den Kapitalismus haben. Es lebe die Weltrevolution! Es lebe Sowjetrußland! Es lebe die Kommunistische Internationale! (Stürmischer Beifall.)

[…]

Quelle:

Neue Zeitung vom 7.12.1920

 

Bilder:

https://de.wikipedia.org/wiki/Vereinigte_Kommunistische_Partei_Deutschlands#/media/Datei:LeviPaul.jpg

https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunistische_Partei_Deutschlands#/media/Datei:Arbeiterbewegung_Sozialistische-Parteien-und-Organisationen_1863-1933.png