100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

How to Vogelfüttern

Der Deutsche macht auf die Lage der Vögel in der kalten Jahreszeit aufmerksam und bittet um Mithilfe: Eine kleine Geste kann den gefiederten Freunden sehr helfen und man selbst hat auch noch was davon. Diese Tipps und Tricks stehen freilich in einem deutlichen Kontrast zur nach wie vor angespannten Versorgungslage für die menschlichen Bewohner des Landes.

Weihnachtskommentar des Simplicissimus

Eine Winterfreude für die Vogelwelt

In diesen Tagen des Gebens vor dem Fest, hat alle Kreatur ein Recht, Barmherzigkeit zu verlangen. Ist die Liebe überhaupt ein verbindendes Element, so soll sie auch die Schranke mildern zwischen Mensch und Tier, damit die „seufzende Kreatur“, von der Paulus redet, teilnehme an der „Lindigkeit“ der Adventsstimmung, von der ein Bibelwort spricht. Der klare Frost dieser Tage hilft daran zu erinnern, daß wir den schutzlosen, hungernden und frierenden Geschöpfen, die schmerzbefähigt sind wie wir, Freundlichkeit erweisen. Dieser humanen Pflicht ist mit gar geringen Mitteln zu genügen. Ein Futterplätzchen auf dem Balkon oder dem Fensterbrett ist ohne Mühe herzurichten. Es genügt eine alte Kiste, der man an einer Seite die Wand ausschneidet, und die mit Nägeln und Bindfaden befestigt wird. Es empfiehlt sich, die obere Holzplatte, falls diese nicht ganz undurchlässig ist, mit Dachpappe zu überkleiden, um sie wasserdicht zu machen. Denn wenn das Körnerfutter, das man in die Kiste streut, erst durch Regen oder Schnee feucht wurde, führt es Krankheiten der Vögel herbei. Als Lockmittel für die gefiederten Gäste dienen Tannen- und Kiefernzweige, mit denen die Kiste umsteckt und so für sie traulicher wird. Sämereien aller Art verlangt der vorsorglich gedeckte Tisch der kleinen Sänger: Hanf und Hirse, Spitz- und Leinsamen, nicht zu vergessen Sonnenblumenkerne. Sie brauchen neben den Sämereien auch Beeren, die man auch jetzt noch auf einem Spaziergang in der Natur einsammeln kann. Die verschiedenen Meisenarten, die sehr zutraulich werden, haben eine fetthaltige Nahrung nötig. Deswegen ist es ratsam, Wursthäute in die kleinen Tannenbäume zu hängen, die vielleicht die Balkonbrüstung schmücken. Man kann geweichte Brotkrusten und Kartoffelstücken in einen kleinen vertrockneten Baum hängen und dadurch auch den lieben Sommersängern einen „Weihnachtsbaum“ herrichten. Nicht zu vergessen ist bei alledem die Sorge für frisches Trink- und Badewasser, denn Meisen und Spatzen baden auch an hellen Frosttagen. Durch Verdursten gehen im Winter mehr Vögel ein als durch Verhungern. Allerdings darf man sich die Mühe nicht verdrießen lassen, das in einem Blumennapf erwärmte Wasser mehrmals täglich zu erneuern. Das Vergnügen, das man an dem emsigen und zierlichen Treiben der kleinen Gäste findet, entschädigt dieses Liebeswerk reichlich.

Quelle:

Der Deutsche vom 24.12.1920

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00246778/SDH_19376538_1920_Der_Deutsche_1304.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00307453

 

Bild:

http://www.simplicissimus.info/uploads/tx_lombkswjournaldb/pdf/1/25/25_39.pdf