Kein Frieden in Osteuropa
Während sich der Polnisch-Sowjetische Krieg seinem Ende zuneigt, kommen aus dem Osten dennoch wenig gute Nachrichten wie diese Übersicht zeigt. Immerhin sprach sich der sozialistische Politiker Ignacy Daszinski gegen den Antisemitismus und für einen echten Minderheitenschutz in seinem Land aus.
Zurückhaltung bayerischer Kriegsgefangener in Rußland.
Nach der „München-Augsburger Abendzeitung“ hat die bayerische Regierung durch das Auswärtige Amt gegen die von der Moskauer Regierung verfügte Zurückhaltung von bayerischen Kriegsgefangenen, wie es heißt, 60 Offizieren, entschiedenen Protest erhoben und diese Maßnahme als Schikane dafür bezeichnet, daß die russischen Internierten in den bayerischen Lagern nicht dieselben Freiheiten erhalten, wie in Preußen. Inzwischen scheint die Zurückhaltung von bayerischen Kriegsgefangenen in Rußland immer drohenderen Umfang angenommen zu haben. T.U.
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Bolschewistische Blutherrschaft.
2.600 Hingerichtete.
„Beringske Tidende“ meldet aus Helsingfors: Das Revolutionsgericht in Sewastopol gibt in dem offiziellen Organ der Stadt die Namen von 1.436 Personen bekannt, die durch Erschießen hingerichtet worden sind. Unter den Hingerichteten waren 278 Frauen. Zwei Tage später veröffentlichte die Zeitung eine neue Liste von 1.202 Hingerichteten, darunter 88 Frauen.
(Es gibt deutsche Bolschewisten, die diese „Klassenjustiz“ als Vergeltung für die Taten des „weißen Schreckens“ hinstellen. Auch eine Begründung. Es gibt sogar Dumme, die das glauben.)
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Polen will dem Antisemitismus entsagen.
Bei einer kürzlich mit Vertretern der Presse abgehaltenen Konferenz sprach sich der stellvertretende polnische Ministerpräsident Daszynski in bemerkenswerter Weise über die Stellung der polnischen Regierung zur Judenfrage aus und kündigte eine Aenderung ihrer bisherigen Judenpolitik an. Der Minister sagte u. a.: „Die Regierung wird gerade darauf Wert legen müssen, den Vertrag über den Schutz der nationalen Minderheiten zu veröffentlichen, der vom Sejm bereits bestätigt wurde, und wird Schritte unternehmen, um ihre Stellung zu den Juden als gleichberechtigten Staatsbürgern deutlich zu machen. Die polnische Presse muß mit dieser Stellung der Regierung als einer Staatsnotwendigkeit rechnen.“
In Ergänzung der vorstehenden Meldung berichtet der Warschauer Vertreter der „Dena“: Die polnische Regierung veröffentlicht im Reichsgesetzblatt den Text des Versailler Minderheitenschutzvertrages vom 8. Juni 1919 in drei Sprachen: polnisch, französisch und deutsch. Damit tritt der Vertrag mit Polen in Rechtskraft.
Quelle:
Der Deutsche vom 23.12.1920
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00246778/SDH_19376538_1920_Der_Deutsche_1295.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00307452
Bild:
https://pl.wikipedia.org/wiki/Ignacy_Daszy%C5%84ski#/media/Plik:Ignacy_Daszy%C5%84ski_na_m%C3%B3wnicy_sejmowej.jpg