Frankreichs Forderungen schockieren die Nation
Im Versailler Friedensvertrag war die endgültige Summe der alliierten Reparationsforderungen noch nicht festgelegt worden. Mit den sog. Pariser Beschlüssen steht nun die Summe von 269 Milliarden Goldmark im Raum, die über mehrere Jahrzehnte abgezahlt werden soll. Parteiübergreifend ist die Empörung hierüber groß und man bemüht sich um eine geschlossene Reaktion auf die Forderungen.
Bedrohliches Pariser Gewölk über Berlin!
Allgemeine Ablehnung der gestellten Ententeforderungen. – Ministerkrisengerüchte.
Berlin, 1. Febr. (Sondermeldung der Allg. Thür. L.-Ztg. „Deutschland“.) Die Fraktionen aller Parteien hielten gestern infolge der durch die Festsetzung der Bedingungen geschaffenen Lage Sitzungen ab. Das Ergebnis dieser Beratungen kann man im allgemeinen dahin zusammenfassen, daß die jetzt in der Regierung vertretenen Parteien, sowie die Rechtssozialisten einig in der Ablehnung der gestellten Forderungen sind. Die Haltung der Unabhängigen ist zunächst noch schwankend; sie scheinen jedoch den Forderungen in der jetzt vorliegenden Form ebenfalls nicht zustimmen zu wollen, und mit Abstrichen und Ablinderungen derselben zu rechnen. Die Deutschnationalen lehnen die Bedingungen von vornherein ab. Im allgemeinen ist die Lage noch nicht völlig geklärt.
Berlin, 1. Febr. (Sondermeldung.) Die politisch gespannte Lage läßt viele unkontrollierbare Gerüchte in Umlauf kommen. So wurde von einer Seite der bevorstehende Rücktritt des Ministers Simons behauptet. Es scheint jedoch festzustehen, daß der Minister sich seiner Verantwortung im gegenwärtigen Augenblick um so weniger entziehen wird, als er einer der wenigen ist, die mit allen Einzelheiten der gegenwärtigen Lage genau vertraut sind. Ebenso entbehren die Gerüchte von der Bildung eines Einheitskabinetts bis jetzt der Begründung, wenn auch in den Kreisen der Rechtssozialisten Stimmen laut werden, die einer Mitübernahme der Verantwortung durch Beteiligung an der Regierung sympathisch gegenüber stehen.
Wie es voraussichtlich kommen wird.
Berlin, 1. Febr. (Sondermeldung der Allg. Thür. L.-Ztg. „Deutschland“.) Die Entwicklung der Dinge ist voraussichtlich folgende: Regierung und Reichstag lehnen einmütig die Forderung der Entente als unannehmbar ab, lassen aber den Weg der Verhandlungen offen. Wir dann nicht unvermutet die bis jetzt bestehende Möglichkeit von Verhandlungen in London verbaut, so ist die Londoner Konferenz anzunehmen und als Verhandlungsfeld zu betrachten, auf dem der Entschädigungsfrage eine Wendung zum Besseren und Erträglichen gegeben werden muß. Die Lage ist sehr ernst, doch die Möglichkeit einer Besserung noch nicht endgültig ausgeschlossen. Alle etwaigen Regierungsmaßnahmen müssen unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden, daß Deutschland sich den Weg nach London offen hält, um jede Verhandlungsmöglichkeit nach Kräften auszunutzen!
Quelle:
Allgemeine Thüringische Landeszeitung Deutschland vom 1.2.1921