100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Kapp 2.0?

Knapp ein Jahr nach dem Ausbruch des Kapp-Putsches in Berlin ist die Gefahr durch weitere Putschversuche nach wie vor nicht gebannt. Hermann „Kapitän“ Ehrhardt ist als einer der führenden Kappisten weiterhin auf freiem Fuß und schmiedet Pläne für einen gewaltsamen Umsturz.

Ehrhardt (mit x) während des Kapp-Putsch 1920

Vom geplanten Rechtsputsch

wird uns aus gut unterrichteter Quelle geschrieben:

Die deutschnationale Presse fühlt sich äußerst unglücklich, daß der geplante nationalistische Rummel frühzeitig aufgedeckt worden ist. Alle bisher aufgestellten Behauptungen über beabsichtigte Putschpläne werden ohne Beibringung von Gegenbeweisen als sinnlos bezeichnet. So sinnlos sind die Dinge nun gerade nicht, dafür spricht schon die Tatsache, daß es Hugo Stinnes war, der das Vorhaben politischer Abenteurer vorzeitig ans Tageslicht brachte. Im übrigen liegen in Berlin aber auch Beweise dafür vor, daß sich in den vergangenen Wochen auf Grund der Pariser Forderungen extrem gerichtete Personen veranlaßt gefühlt haben, über die Inszenierung einer nationalen Erhebung gegen die Entente-Besprechungen abzuhalten. Stellenlose Militärs, und zum größten Teil bekannte Kappisten, die in jetzt aufgelösten Freikorps Dienst gemacht haben, sind die „Helden“ die abermals beabsichtigten Deutschland ins Unglück zu stürzen. Zwar wird auch von der bayerischen Regierung die anfangs beschuldigt wurde, den Hauptbeteiligten am Kapp-Putsch Ehrhardt zu beherbergen, diese Anschuldigungen dadurch widerlegt, daß behauptet wird, Ehrhardt befinde sich überhaupt nicht in Deutschland. Diese Behauptung ist genau so frivol wie die Abtreibung der Putschabsichten. Es scheint nämlich einwandfrei festzustehen, daß Ehrhardt sich noch vor einigen Tagen in München aufgehalten hat und erst das Weite suchte, als der Warnungsruf in der „Deutschen Allgem. Ztg.“ Erschien. Wenn die Rechtspresse heute darauf hinweist, daß augenblicklich eine Putschgefahr nicht besteht, so mag das zutreffen. Die Abenteurer sind zweifellos durch die Mahnrufe abgeschreckt worden und haben vorläufig ihre Pläne auf spätere Tage verschoben.

Die Verhandlungen in London stehen vor der Tür, kein Mensch weiß heute, wie sie endigen werden. Es gibt Kreise in Deutschland, die sich von London ein Diktat wünschen, das der Reichsaußenminister entsprechend seinen bisherigen Festlegungen vor der Oeffentlichkeit ablehnen muß. Durch diese Handlungsweise der Entente erhoffen jene Kreise, die sich tagtäglich zwangzigmal als Erbpächter des Nationalismus hinzustellen versuchen, die große nationalistische Welle, die zunächst einmal ihr Parteisüppchen kräftigt und zum anderen zu Kraftmeiereien Anlaß gibt. Wir sind uns klar darüber, daß die Putschabsichten politischer Abenteurer vorläufig nur vertagt sind und können auf Grund dessen die Arbeiterschaft nicht genug mahnen die Augen offen zu halten, um im Falle eines Falles den Kappisten ihr verbrecherisches Wesen heimzuzahlen.

Quelle:

Das Volk vom 28.2.1921

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00226548/Das_Volk_1921_02_0347.tif

 

Bild:

Bundesarchiv Bild 146-1971-037-42, Kapp-Putsch, Berlin - Hermann Ehrhardt – Wikipedia