100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Schub für die demokratische Zivilgesellschaft

Der Republikanische Reichsbund möchte als Dachorganisation von demokratisch gesinnten Vereinen zur Demokratisierung des Staatswesens beitragen. Mit diesem Aufruf, der in sozialdemokratischen und liberalen Blättern verbreitet wurde, sollen potentielle Mitglieder gesammelt werden.

Hugo Preuß (DDP) - einer von drei Gründungsvorsitzenden des Reichsbundes

An das republikanische Deutschland!

Der vorbereitende Arbeitsausschuß des Republikanischen Reichsbundes, dem angehören: Frhr. v. Brandenstein, thür. Staatsminister, Dr. Ed. David, Reichsminister a. D., M. d. R., Pfarrer a. D. Ernst Klein, Frankfurt a. M., Prof. Dr. Preuß, Reichsminister a. D., Karl Vetter, Redakteur der „Berl. Volks-Ztg.“, erläßt, wie wir erfahren, soeben folgenden

Aufruf.

Weimar, 18. Febr. 1921.

Mehr als zwei Jahre sind seit den Tagen verflossen, die den militärischen und politischen Zusammenbruch Deutschlands und den Einsturz der monarchistischen Staatsform brachten. Die Republik wurde zum einzigen Ausweg aus dem Chaos.

Das Werk von Weimar ist in dem ausgesprochenen Mehrheitswillen des deutschen Volkes gesichert. Aber die Republik hat noch um ihre geistige Verankerung zu kämpfen. Allen denen, die heute im Kampfe gegen die Republik stehen, muß die geschlossene Front aller Republikaner gegenübergestellt werden. Denn ein Sturz der demokratischen Republik brächte dem deutschen Volk nicht die verheißene Rettung, sondern völligen Untergang. Die unausbleibliche Folge wäre Bürgerkrieg bis aufs Messer im Innern und neuer Krieg, Zertrümmerung des Reiches und völlige wirtschaftliche Erdrosselung von seiten der Entente.

Diesem Unheil ist zu wehren, solange es noch Zeit ist. Nur auf republikanischer Grundlage kann der Wiederaufbau des deutschen Volkes mit Aussicht auf Erfolg betrieben werden. Und wie die Erringung von Frieden und Wohlfahrt im Innern, so ist auch die Wiedererlangung einer geachteten Stellung im Rate der modernen Völker nur auf demokratisch-republikanischer Grundlage möglich. Diese Erkenntnis muß Gemeingut werden aller fortschrittlich gesinnten deutschen Volksgenossen.

Dazu ist eine durchgreifende Aufklärungs- und Erziehungsarbeit erforderlich. Diese Arbeit aber kann nur geleistet werden durch eine organisatorische Zusammenfassung aller auf dem Boden der Republik stehenden Persönlichkeiten und Verbände. Nicht um Gründung einer neuen Partei handelt es sich, sondern um die Schaffung eines Bundes, der eine notwendige Ergänzungsarbeit für alle republikanischen Parteien leistet, eines Bundes, der, außerhalb der partei- und wirtschaftspolitischen Arena stehend, sich zur Aufgabe stellt:

Pflege der idealen Grundlagen und Werte republikanischer Staatsgesinnung und Förderung einer entsprechenden Kultur des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens. Erziehung des deutschen Volkes zu einem politischen Ehr- und Persönlichkeitsgefühl, das den Anhängern des alten Obrigkeitsstaates den Stolz des Republikaners entgegensetzt.

In diesem Sinne rufen wir alle ehrlich zur Republik stehenden Männer und Frauen der verschiedensten Berufsstände in Stadt und Land zur Mitarbeit auf. Schart euch um das schwarzrotgoldene Banner der begeisterten Vorkämpfer der nationalen Einheits- und Freiheitsbewegung von 1815-1849! Der Republikanische Reichsbund soll alle vereinen, die unser Volk vor neuem blutigen Unheil bewahren wollen und bereit sind, an der Sicherung seines geistigen, sozialen und politischen Aufstiegs mitzuarbeiten. Seine heiligste Aufgabe wird sein, die Herzen unseres Volkes in trübster Zeit aufzurichten und zu erfüllen mit der festen Zuversicht auf die Verwirklichung des hohen Ideals, von dem der republikanische Sänger Hoffmann v. Fallersleben sang:

Einigkeit und Recht und Freiheit

Sind des Glückes Unterpfand.

Blüh‘ im Glanze dieses Glückes,

Blühe, deutsches Vaterland!

Quelle:

Das Volk vom 12.2.1921

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00226548/Das_Volk_1921_02_0251.tif

 

Bild:

Hugo Preuß - Hugo Preuß – Wikipedia