Streit um neue Gothaer Polizei
Die neue Thüringer Landespolizei wird von Seiten der Rechtsparteien systematisch verunglimpft, da man in ihr das Instrument der sozialliberalen Landesregierung sieht und stattdessen Maßnahmen zum „Selbstschutz“ ergreift. Die sozialdemokratische Presse versucht die Propagandamethoden anhand eines Vorfalls in Gotha zu entlarven.
„Müller-Brandenburg Garde“.
Zu der von uns in der gestrigen Nummer des „Volk“ bereits kurz gekennzeichneten falschen und hetzerischen Berichterstattung der Orgesch-Orghöf-Presse über die Thüringer Staatspolizei schreibt uns unser gut informierter E. O.-Korrespondent über den Gothaer Fall noch folgendes:
Unter der obigen und ähnlichen Ueberschriften werden seit einiger Zeit von der Pressezentrale der „Orgesch“ allerhand gemeingefährliche Artikel in der Rechtspresse verbreitet, die den Zweck verfolgen, das Land Thüringen und insbesondere die Thüringer Landespolizei im ganzen Deutschen Reiche zu denunzieren. Insbesondere aber scheint die Absicht vorzuherrschen, bei den Reichsstellen Stimmung gegen die Thüringer Landespolizei und damit natürlich gegen die Thüringer Regierung zu machen. Waren doch die vorhergehenden Artikel wie auch der letzte, der von der Verhaftung des Herrn Müller-Brandenburg wegen roter Umtriebe sprach – als der Gipfel der Gemeinheit anzusehen, von denen man glaubte – höher hinauf ginge es nimmer. – „Weit gefehlt!“ – Der Schlammpfütze, genannt „Mitteldeutsche Zeitung“, Erfurt, war es in ihrer Nummer vom 5. Februar vorbehalten, den rechtsbürgerlichen Orgesch-Schmutzkübel bis auf den Grund auszugießen auf die diesen Kreisen so sehr verhaßte Thüringer Landespolizei und deren Kommandeur, Herrn Müller-Brandenburg. Unter der Ueberschrift „Müller-Brandenburgs Garde“ brachte die „Mitteldeutsche“ vom 5. Februar in der ersten Beilage einen Artikel, in welchem unter breitester Ausmalung behauptet wird, die Müller-Garde habe in Gotha ein zum Besten einer Parzival-Aufführung stattgefundenes Wohltätigkeitsfest mit Waffengewalt auseinander getrieben. Auch der Herr Oberbürgermeister von Gotha wurde mit „hinausgetrieben“. Die Abteilung soll von einem früheren Oberkellner, der jetzt Untergebener des Herrn „Polizeimajor“ sein soll, geführt worden sein. Weiter wird, um die Geschichte für den geistigen Tiefstand der Leser der Orgesch-Presse etwas gruseliger und schmackhafter zu machen, der Notiz ein Stimmungsbild von Gotha angehängt.
In diesem im Romanstil „Nick Carter“ gehaltenen Stimmungsbild wird den zitternden Gothaer Bürgern zum ersten Morgenkaffee gruselig eröffnet: daß nunmehr, nachdem die „Preußische Sipo“ von Gotha fort und die Müller-Brandenburg-Garde eingerückt, für die Ruhe und Sicherheit der Gothaer Bürger keine Gewährleistung mehr möglich sei. – Es wird da erzählt von Waffenlagern im „Volksboten“, von kommunistischen und russischen Umtrieben u. dgl. m. Das Ganze gipfelt darin, daß mit dem angeblich erfolgten Einrücken der Thüringer Landespolizei für die Bildung von roten Armeen und sonstiger ähnlicher Dinge keine Schwierigkeiten mehr bestehen, da wahrscheinlich Müller-Brandenburg mit seiner Garde gewissermaßen die Kerntruppe für dieselbe bildet. – „Soweit der Artikel.“ Das Ganze mutet an wie ein Karnevalsscherz, wenn – es in seiner Wirkung nicht so ernst wäre. Zunächst beweist der Artikel klipp und klar: daß die „Orgesch-Pressezentrale“ derartige Artikel fix und fertig auf Lager hält und daß nur durch den ungeschicklichen Uebereifer eines Pressekuli der Artikel 10 Tage zu früh erschien. Man hatte wohl erfahren, daß die preußische Sipo in Gotha noch vor dem 1. Februar abgelöst werden sollte. Flugs setzte man die Orgeschpresse in Bewegung und lancierte obige Notiz. – Aber blinder Eifer schadet nur – so auch hier – denn bis heute, den 7. Februar, gab es in Gotha noch keinen „einzigen“ Thüringer Landespolizisten, der dort Dienst tut. Man hatte jedenfalls nichts gehört von der getroffenen Dispositionsänderung, auf Grund welcher das Einrücken der Thüringer Landespolizei auf 10 Tage verschoben wurde. – Daher auch der „Reinfall!“ Auf den übrigen Inhalt des Artikels näher einzugehen, lohnt nicht der Mühe, für uns genügt es, festzustellen, daß da bis zum heutigen Tage keinerlei Kommando der Thüringer Landespolizei in Gotha war, dasselbe auch kein Wohltätigkeitsfest sprengen und auch den dortigen Oberbürgermeister nicht hinauswerfen konnte. Hoffentlich nimmt der Herr Veranlassung, sich entsprechend darüber zu äußern. Der übrige Inhalt des Artikels zeigt einen derartigen Tiefstand von Moral sowie blödeste Gehässigkeit, daß einem anständigen Menschen nicht zugemutet werden kann, sich weiter damit zu beschäftigen. – Es soll hier dem gesitteten Teil der Bevölkerung nur gezeigt werden, mit welchen Mitteln gemeinster Art von gewisser Seite, die sich der Bildung und Intelligenz zurechnet, gegen den Staat Thüringen und seine Einrichtungen gewütet wird. – Allerdings, wäre Thüringen ein Eldorado für die Orgesch und Rechtsbolschewisten, dann wäre alles in bester Ordnung. Die Drachensaat, die man versucht auch in Thüringen zu streuen, wird nicht aufgehen. Der Sinn und republikanische Gedanke der Thüringer Bevölkerung ist so fest und gesund, daß derartige Versuche wirkungslos verpuffen.
Und wenn die Thüringer Landespolizei erst wirklich in Gotha eingerückt sein wird, dann wird sie der Gothaer Bevölkerung durch die Tat beweisen, daß sie (die Landespolizei) in jeder Beziehung und nach „jeder“ Richtung hin voll und ganz ihre Pflicht tut. Kein Gothaer Bürger, der die Republik und ihre Gesetze achtet, braucht die Thüringer Landespolizei zu fürchten, er wird sie achten!
Quelle:
Das Volk vom 11.2.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00226548/Das_Volk_1921_02_0247.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00190545