100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Die oberschlesische Frage ist eine europäische Frage

Reichsaußenminister Walter Simons (DDP) führt in einem vielbeachteten Artikel seine Ansichten über die kommende Abstimmung in Oberschlesien aus. Die Lösung des Grenzstreites müsse als Teil des Reparationsproblems betrachtet werden, da Deutschland ohne Zugriff auf das wichtige Industriegebiet die Forderungen der Entente nicht werde bedienen können, so Simons.

Walter Simons (1861-1937)

Simons über Oberschlesien.

(„Ohne friedliche Beziehungen zu Deutschland gibt es keine Ruhe für Polen.“)

Im Januarheft der Zeitschrift „Die deutsche Nation“ spricht sich der Minister des Auswärtigen Dr. Simons über die oberschlesische Frage aus. Er betont, wie der Oberschlesier immer vollkommen auf Deutschland eingestellt gewesen sei, und daß die oberschlesische Eigenart sich ohne weiteres innerhalb Deutschlands legal entwickeln könne, erst recht durch das Autonomiegesetz. Deshalb sei das deutsche Problem der oberschlesischen Frage auch für die Zukunft auf dem Wege der gegenseitigen Toleranz nicht schwer zu lösen. Dr. Simons weist dann aber darauf hin, daß das oberschlesische Problem zugleich ein deutsch-polnisches Problem sei. Er führt hierüber aus:

Der polnische Staat, der sich neu gebildet hat, wird vor außerordentlich schwere politische und wirtschaftliche Fragen gestellt werden. Dieser polnische Staat hat nur dann eine Aussicht auf Bestehen, wenn er politisch dem Imperialismus entsagt, wirtschaftlich sich im Innern konsolidiert und diejenigen Kräfte von außen her in seinen Dienst stellt, die ein Gedeihen verbürgen können. Das Politische und Wirtschaftliche ist hier identisch. Ein polnischer Staat, der sich aggressiv nach Westen hin betätigt, wird niemals Aussicht auf wirtschaftliches Gedeihen haben. Ein landwirtschaftliches, auf einen Absatz nach Westen hin angewiesenes Polen braucht die Industrie Deutschlands. Ohne friedliche Beziehung zu Deutschland gibt es keine Ruhe für Polen. Ich bin überzeugt, daß die Abstimmung in Oberschlesien zugunsten Deutschlands ausfallen wird. Sollte es aber den Machenschaften einer polnischen politischen Richtung, die sich den Grundgedanken des deutsch-polnischen Verhältnisses nicht klarmacht, gelingen, die Abstimmung durch Einführung verschiedener Termine, durch zonenmäßige Abstimmung, durch Terror oder auf andere Weise zu verfälschen und sich auf diese Weise oder sogar gewaltsam eines Teiles von Oberschlesien zu bemächtigen, so würde das die schwersten Folgen für die Zukunft der Beziehungen zwischen Polen und Deutschland haben müssen. Diese Beziehungen sind an sich schon in höchstem Maße belastet durch die Schaffung der polnischen Korridors mitten durch Deutschland hindurch, durch die Einverleibung von großen deutschen Minoritäten in das polnische Reich und durch eine außerordentlich ungerechte Behandlung der in Polen verbliebenen Deutschen. Ich würde es in hohem Maße bedauern, wenn ein friedliches Zusammenleben zwischen dem polnischen und dem deutschen Volke auf solche Weise unmöglich gemacht würde, denn auch wir haben das größte Interesse daran, in Polen einen Nachbarn zu haben, mit dem wir geistig, wirtschaftlich und politisch in zufriedenstellender Weise verkehren können, und der uns die Möglichkeit eines Handelsverkehrs mit Rußland nicht versperrt. Mit einem polnischen Staate, der diese Grundbedingungen nicht zu Axiomen seiner Politik macht, sehe ich ständige Differenzen für die Zukunft voraus.

Dr. Simons betont weiter auch die europäische Seite der oberschlesischen Frage, da Deutschland ohne Oberschlesien die Möglichkeit verliere, die im Friedensvertrag an seine Leistungsfähigkeit gestellten schweren Forderungen zu erfüllen. Deshalb hänge die oberschlesische Frage mit dem ganzen Entschädigungsproblem zusammen. Nur eine Lösung, die Oberschlesien bei Deutschland belasse sei eine europäisch und weltwirtschaftlich haltbare.

Quelle:

Weimarische Landeszeitung vom 14.1.1921

 

Bild:

Bundesarchiv Bild 102-12279, Walter Simons - Walter Simons – Wikipedia