100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Hetze gegen den Thüringer Innenminister

Die Reform der Landespolizei ist nur einer der Bereiche, in denen sich der neue Innenminister Karl von Brandenstein scharfen Angriffen durch die Rechtspresse ausgesetzt sieht. Sachlich ist diese Kritik keineswegs, wie die sozialdemokratische Zeitung Das Volk beklagt.

Übung der preußischen Schutzpolizei

Der Müller-Brandenburger bei der Arbeit.

Unter der vorstehenden Ueberschrift brachte die „Thür. Tageszeitung“ vor einiger Zeit einen Artikel voller gehässigen Aeußerungen gegen die Staatspolizei Thüringens. In dem Artikel war gesagt, weite Schichten der Bevölkerung brächten der Landespolizei Mißtrauen entgegen, und die Angehörigen der Staatspolizei verfielen auf gewisse Aeußerlichkeiten, die früher bei Offizieren gerügt worden seien, auch gäben sie für teuere Schnäpse, andere Getränke und Süßigkeiten in Kaffeehäusern Summen aus, die das Bürgertum stutzig machten; schließlich wurde gar der allgemeine Vorwurf erhoben, daß die Angehörigen der Staatspolizei meist deshalb dieser Einrichtung beigetreten wären, weil ihnen dieses Leben angenehmer und leichter erscheint, als das hergebrachte Arbeiten gegen Lohn.

Es ist zunächst unrichtig, schreibt uns dazu das Presseamt Thüringen, daß weite Schichten der Bevölkerung der Staatspolizei Mißtrauen entgegenbrächten, denn die Zeichen einer guten Aufnahme diese neuen polizeilichen Organisation mehren sich dauernd; liegen doch aus allen Teilen des Landes Anforderungen von Kommandos der Staatspolizei vor. Der Organisator der Landespolizei brachte im Einverständnis mit dem Staatsrat einen kleinen Stamm, bestehend aus 3 Oberbeamten und 30 Unterbeamten, aus Mecklenburg mit, der das Gerippe für den weiteren Aufbau der Landespolizei abgab. Mit wenig Ausnahmen wurden weiter nur Thüringer eingestellt. Nur Böswilligkeit kann von einer Durchsetzung des Landes mit fremden Elementen reden. Noch ist die Landespolizei in der Aufstellung und Ausbildung ihrer Beamten begriffen, und hat trotzdem schon eine ganze Reihe von Polizeikommandos gestellt, die gewiß auch dem Wünschen der Rechtsparteien entsprechen dürften. Aber die Stellung dieser Kommandos wirkt störend auf die Entwicklung der Organisationen und Ausbildung ein, so daß noch weitere Kommandos zu stellen gegenwärtig unmöglich ist. Billigdenkende Menschen werden einsehen, daß die Landespolizei die Erfüllung ihrer Aufgaben, ihr Vorhandensein als der Allgemeinheit nutzbringende Einrichtung, erst dann zeigen kann, wenn sie endgültig aufgestellt und ihre Beamten völlig ausgebildet sind.

Was gegen die Uniform und Dienstgradabzeichen in dem Artikel bemerkt wurde, so sei dazu nur gesagt, daß Uniform und Abzeichen den gleichen Einrichtungen in den anderen deutschen Ländern gleichen. Eine Bemängelung kann sich somit nur gegen die Staats-, Schutz- und Landespolizei im ganzen Reiche richten.

Als eine Ungehörigkeit gröbster Art muß bezeichnet werden, den Beamten der Landespolizei vorzuwerfen, sie hätten aus Arbeitsunlust und Bequemlichkeit ihren Beruf gewählt. In aufgeregten Zeiten muß jeder Polizeibeamte damit rechnen, sein Leben für die Verfassung, für die Regierung, und im Kampfe gegen das Verbrechertum einsetzen zu müssen. Da das Leben das Höchste ist, was der Mensch besitzt, ist nicht anzunehmen, daß dieses Gut lediglich aus Faulheit und Bequemlichkeit aufs Spiel gesetzt wird. Die Beamten der Staatspolizei haben von früh 8 Uhr bis 7 Uhr abends fast ununterbrochen Dienst, und sind dabei so angestrengt, daß von einem Faulenzerleben keine Rede sein kann. Was das Einkommen der Beamten betrifft, so darf gesagt werden, daß Verheiratete unter ihnen nur unter Ueberwindung mancherlei Schwierigkeiten davon leben können. Wenn Unverheiratete, die vielleicht noch privaten Zuschuß haben, sich in ihrer freien Zeit etwas Besonderes auch in Kaffeehäusern leisten, so muß gerade bei einem Blatte wie die „Thüringer [Tages-]Zeitung“, die dem Recht der Individualität bis zum weitesten Ausmaß jeweils das Wort geredet hat, Verwunderung erregen, daß sie sich um solche private Angelegenheiten bekümmert; wie sie ja auch immer ablehnte, daß andere das Recht hätten, sich über die früheren Aeußerlichkeiten der Offiziere des stehendes Heeres kritisch zu äußern. In den Wein- und Tanzdielen, auf denen sich auch Leser der „Thüringer Tageszeitung“ zu unterhalten pflegen, dürften kaum Angehörige der Landespolizei zu treffen sein, da ihnen hierzu die Mittel fehlen und im allgemeinen ihnen auch so gesunde Anschauungen eignen, die sie solchen Vergnügungsstätten fern halten.

Quelle:

Jenaer Volksblatt vom 24.1.1921

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273798/JVB_19210124_019_167758667_B2_002.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00371239

 

Bild:

Bundesarchiv Bild 102-11946, Berlin, Schutzpolizei, Übung - Sicherheitspolizei (Weimarer Republik) – Wikipedia