Kaisertreue ohne Kaiser
Der Deutsche aus Sonderhausen beklagt in diesem Artikel das vermeintlich mangelhafte Interessen an den Kriegervereinen, die in der monarchistischen Dachorganisation Kyffhäuser-Bund zusammengeschlossen sind. Nach dem Ende der Monarchien verspricht sich das Blatt von den Kriegervereinen die Wahrung von nationalen Werten.
Vom Zweck der Kriegervereine.
Wer die Dinge vorurteilslos und mit offenen Augen betrachtet, der wird zugeben müssen, daß das Kriegervereinswesen durch die Ereignisse, die mit dem für uns unglücklichen Ende des Krieges zusammenhängen, eine starke Belastungsprobe auszuhalten hat. Nach der geschichtlichen Entwicklung des deutschen Kriegervereinswesens besteht aber die berechtigte Hoffnung, daß es diese Probe bestehen wird. Von den drei Säulen, auf denen der Bau des Kriegervereinswesens ruhte, – Königstreue, Vaterlandsliebe, Kameradschaft – ist die erste genommen. Für diesen Verlust sucht das Kriegervereinswesen Ersatz durch weiteren Ausbau und Verstärkung der Kameradschaftlichkeit, der Wohlfahrtspflege und der Betätigung wahrer Vaterlandsliebe, die nur das eine Ziel haben kann, mitzuarbeiten am Wiederaufbau des Vaterlandes. Das deutsche Volksbewußtsein muß durch Organisationen, wie sie die Kriegervereine darstellen, wieder geweckt, das deutsche Gewissen geschärft werden. Redlichkeit und Pflichttreue müssen wieder in den Vordergrund allen Denkens und Handelns treten.
Die Zahlen über die Unterstützungen, die die Kriegervereine täglich leisten – es sind vom Jahresdurchschnittsbetrag auf den Tag verrechnet allein 20.000 M. an geldlichen Unterstützungen! – reden eine deutsche Sprache. Sie geben ein Bild von der Achtung gebietenden Leistungsfähigkeit dieser Organisation, die erreicht ist, trotz der äußerst geringen finanziellen Inanspruchnahme jedes einzelnen Kameraden. Die geldlichen Anforderungen, die andere Verbände und Vereine an ihre Mitglieder stellen, übertreffen die Beiträge, die Kriegervereinsmitglieder zu zahlen haben, um ein Vielfaches! Erfreuliche Zahlen über Neuaufnahmen in vielen Vereinen sind ein deutlicher Beweis dafür, daß die Kriegervereine ihre alte Anziehungskraft durchaus nicht eingebüßt haben. Es gibt noch Männer, die das Bedürfnis haben, sich im Kameradenkreis aussprechen zu können über das Wohl und Wehe des Vaterlandes und dabei die Erinnerung zu pflegen an unsere große Vergangenheit in alter und jüngster Zeit. Solche Erholungsstätten wollen die Kriegervereine sein! Die erste Bedingung aber ist, daß der Vorstand der Vereine selbst aus Männern zusammensetzt, die mit Lust und Liebe bei der Sache sind, die ihren Aufgaben volles Verständnis entgegenbringen und auch bereit sind, sich im Interesse ihres Vereins Opfer aufzuerlegen. Es genügt heute nicht mehr, nur seinen Namen herzugeben, die Arbeit aber anderen zu überlassen. Jedes Vorstandsmitglied, das es mit seinem Amt ernst nimmt, soll sich vielmehr bewußt sein, daß es mit verantwortlich ist für die Geschicke seines Vereins und darum an der Arbeit des Vereins und an seiner Förderung tätigen Anteil nehmen muß.
Es ist schon früher allgemein aufgefallen, daß gerade Offiziere sich bei Veranstaltungen der Kriegervereine nur äußerst selten sehen ließen. Es hatte den Anschein, als ob mancher Offizier nur deswegen Mitglied eines Kriegervereins geworden wäre, um ab und zu einmal die Uniform anlegen zu können. Im übrigen aber war von seinem Interesse für das Kriegervereinswesen herzlich wenig zu spüren. Das war früher vielleicht ein erträglicher Zustand, obwohl er immer wieder zu berechtigten Klagen Veranlassung gab, heute aber bedürfen die Kriegervereine zur Erreichung ihrer Ziele der tätigen Mitarbeit jedes einzelnen Mitgliedes. Da dürfen auch diese Kameraden nicht fehlen, sondern es als Ehrenpflicht betrachten, anderen mit gutem Beispiel voranzugehen. Niemand darf untätig beiseite stehen, wenn es gilt, in gemeinsamer Arbeit Wege zu finden, die den Wiederaufstieg unseres Vaterlandes nach schwerem Fall ermöglichen sollen. Schwer, fast unmöglich erscheint es, aus den Wirren der Zeit einen Ausweg zu finden zu hoffnungsreicherer Zukunft. Es ist, als ob das deutsche Volk nach den Entbehrungen und Opfern des Krieges, nach den Enttäuschungen und tiefen Demütigungen, die der Friede ihm gebracht hat, den Glauben an sich selbst verloren hatte, als ob die Erinnerung an das, was unsere Vorfahren für deutsche Ehre gelitten und erstritten haben, verblaßt sei, als ob die unerhörten Großtaten von Volk und Heer im Weltkrieg ein Nichts wären. Das darf nicht sein! Die Kriegervereine wollen deshalb auch über der trostlosen Gegenwart und der ungewissen Zukunft die Vergangenheit nicht vergessen. Sie schauen auf sie zurück, um aus diesem Rückblick und dieser Erinnerung die Kraft zu neuem Aufstieg zu gewinnen. Daran mitzuwirken sollte Ehrenpflicht insbesondere jedes Feldsoldaten sein!
Quelle:
Der Deutsche vom 5.1.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00247701/SDH_19376538_1921_Der_Deutsche_0011.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00307461