Mit Milliarden gegen die Beamtennot
Die Reichsregierung hat höhere Bezüge für die Beamten des Reiches beschlossen, die aufgrund der Inflation in eine extreme Notlage geraten waren. Dies bedeutet eine finanzielle Mehrbelastung von 3,7 Milliarden Mark. Zu Sparzwecken wird daher über die Entlassung von Hilfsbeamten geredet und eine Herauslösung der Reichseisenbahn aus dem Staatshaushalt debattiert.
Einigung mit den Beamten.
3,7 Milliarden Mehrausgaben.
Bei den Verhandlungen zwischen der Regierung und den Beamten ist es, wie bereits gemeldet, nunmehr zu einer endgültigen Einigung gekommen. Die Zugeständnisse des Reichskabinetts an die Beamten und Staatsarbeiter gehen erheblich über den ersten „Einigungsvorschlag“ hinaus. Über die ursprünglich von der Regierung für die Erhöhung der Teuerungszulagen vorgesehenen 2,8 Milliarden hinaus hat das Kabinett weitere Mehrausgaben in der Höhe von 900 Millionen bewilligt, so daß der Staatshaushalt also mit weiteren 3,7 Milliarden Mark belastet wird.
Die Staffelung der Teuerungszuschläge nach den Ortsklassen entspricht nicht den Vorschlägen des Deutschen Beamtenbundes, doch ist in gewisser Weise die Forderung des Existenzminimums für die Mindestbezahlten Beamten gesichert worden.
Angesichts der erheblichen Zugeständnisse haben auch die Beamten und die Gewerkschaften ihre Forderungen zum Teil eingeschränkt. Die Einigungsbeschlüsse werden von den Beamten wie von der Regierung als bindend betrachtet. Ob allerdings die Eisenbahner die Entscheidung ihrer Führer billigen werden, muß sich erst in den nächsten Tagen erweisen.
Wie verlautet, ist bei den Besprechungen mit den Beamten auch die Frage der Verminderung des Beamtenkörpers angeschnitten worden, an deren Lösung auch die Beamtenorganisationen mitarbeiten wollen. Um der weiteren Überfüllung des Beamtenstandes vorzubeugen, soll eine beschränkte Anzahl Anwärter zugelassen werden, auch wird die allmähliche Zurückführung der während des Krieges eingestellten Hilfsbeamten in ihre früheren Berufe in Erwägung gezogen.
Ferner besteht in Regierungskreisen die Absicht, die Reichseisenbahner aus dem Reichshaushalt loszulösen und zu einem selbstständigen Wirtschaftskörper zu machen. Man will auf diese Weise den Staat von dem Defizit der Eisenbahnen entlasten. Vorläufig soll der Reichsfinanzminister noch Bedenken wegen der Finanzierung der Reichseisenbahnbetriebsgesellschaft hegen.
Schließlich wurde bei den Verhandlungen mit den Beamten noch mitgeteilt, daß die Finanzvertreter der Entente den maßgebenden deutschen Stellen eröffnet haben, daß die neuen Mehrausgaben für die Beamten- und Staatsarbeiterbezüge durch neue indirekte Steuern gedeckt werden müssen.
Quelle:
Rhön-Zeitung vom 17.1.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00172675/RhoenZ_1921-0051.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00201902