Das Ende eines Völkermörders
Talaat Paschas Ende.
Die Ermordung Talaat Paschas, des früheren türkischen Großwesirs, ist nunmehr endgültig als politische Mordtat festgestellt worden. Die kriminell zu prüfende Frage, ob der Mörder Mitschuldige gehabt hat, ist ziemlich unerheblich; denn schon jetzt steht fest, daß der Mörder von Landsleuten und Glaubensgenossen unterstützt worden ist. Der außergewöhnlich begabte türkische Staatsmann ist das Opfer eines Fanatikers geworden, wobei man allerdings zugestehen muß, daß Talaats Mitschuld an den Armeniermetzeleien unbestreitbar ist. Auch wenn er persönlich sie den Militärs zuzuschieben versucht, so läßt sich doch nicht leugnen, daß er als höchster politischer Beamter des Landes sie nicht gehindert hat. Jene traurigen Vorgänge zeigen aber ebenso wie die Untat des armenischen Studenten Teilrian [sic!], daß man nicht ohne weiteres europäische Maßstäbe an die asiatische Politik und ihre Persönlichkeiten legen darf. Talaat hat bis zuletzt an seinen Stern geglaubt, d. h. er erhoffte eine Rückkehr des jungtürkischen Regiments. Im gewissen Sinne ist die Regierung von Angora [d. i. der historische Name von Ankara, Anm.] jungtürkisch orientiert, und die Revision des Friedens von Sèvres, sowie die wachsenden türkischen Sympathien in Arabien vermochten den türkischen Exminister noch kurz vor seinem Tode mit neuen Hoffnungen zu erfüllen.
Quelle:
Jenaer Volksblatt vom 18.3.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273844/JVB_19210318_065_167758667_Be_001.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00371287