100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Demo-Krawall in Weimar

Der Landtag arbeitet an den letzten Änderungen der Verfassung und beglückwünscht den Autor des Verfassungsentwurfes Eduard Rosenthal. Derweil stehen sich unweit des Landtagsgebäudes zwei Gruppen von Demonstrierenden gegenüber. Nur das besonnene Vorgehen der Polizei konnte Presseberichten zufolge einen gewaltsamen Zusammenstoß verhindern.

Historische Ansicht des Weimarer Rathauses am Marktplatz

Thüringer Landtag.

(50. Sitzung.)

Weimar, 15. März 1921.

Präsident Drechsler eröffnet die Sitzung nach 11 Uhr; eingegangen sind acht Vorlagen und Gesuche.

Der Präsident verliest hierauf folgenden vom Professor Rosenthal eingegangenen Dank:

„Herzlich danke ich dem Thüringer Landtag für die freundliche Begrüßung beim Abschluß des Verfassungswerkes. Daß ich in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit dem Volksrat und Staatsrat bei der Schaffung der staatsrechtlichen Grundlage des Landes Thüringen mithelfen durfte, wird mir eine erhebende Lebenserinnerung sein. Möge das einheitliche Thüringen unter dem Schutze seiner Verfassung mit dem gesamten deutschen Vaterlande einer glücklichen Zukunft entgegengehen!“

[…]

Der Arbeitsplan des Landtags.

Heute morgen fand keine Sitzung statt. Ausschußberatungen. Freitag wahrscheinlich den ganzen Tag über Sitzung. Der Landtag arbeitet sehr stark um alle Vorlagen noch bis Ende der Woche zu erledigen.

*

Ueber die gestrigen Vorgänge auf dem Marktplatz in Weimar erfahren wir von gut unterrichteter Seite noch folgendes:

Der nationalistische Bürgerbund hatte sein Häuflein auf dem Markt gesammelt und ließ nationalistische Ansprachen halten. Die heranströmenden Arbeitslosen verhielten sich vollkommen ruhig und hörten sich alle chauvinistischen Provokationen auch ruhig mit an. Als aber das Hetzlied der Rechtsbolschewisten „Deutschland, Deutschland über alles“ ertönen sollte, stimmten die Erwerbslosen die Internationale an und es standen nun zwei Demonstrationen sich gegenüber. Die weimarische Stadtpolizei rief, weil sie glaubte der Dinge nicht mehr Herr werden zu können, die hier kasernierte Staatspolizei an. Eine Fußstaffel der Staatspolizei rückte bald heran und der Major Müller-Brandenburg ließ der Menge auf dem Marktplatz die Aufforderung zuteil werden, den Platz zu räumen. Da die geringe Anzahl von Beamten der einen Fußstaffel von der riesigen Menge einfach verschluckt wurde, wurde eine zweite Staffel herbeigezogen. In dieser Zeit erstieg der Sozialist Benewitz aus Weimar den Brunnen und sprach zur Menge mit der Aufforderung, den Platz zu räumen. Seinem Eingreifen ist es dann auch zu verdanken, daß die aufgeregte Menge beider Gruppen den Platz alsbald verließ und vor den dann ausschwärmenden Staffeln langsam zurückging. Um 7 Uhr abends war der Marktplatz geräumt, kein Beamter hat von der Waffe Gebrauch gemacht, keine Festnahme ist erfolgt. Alles hat sich in größter Ruhe und Ordnung vollzogen. Die Beamtenschaft der Staatspolizei hat mit größter Ruhe, Selbstzucht und bewundernswerter Sicherheit gehandelt. Um weitere Zusammenstöße der feindlichen Demonstrationen zu vermeiden, patrouillierten dann noch bis in den späten Abend hinein einzelne Patrouillen der Staatspolizei die Stadt ab, aber überall wurde festgestellt, daß in der ganzen Stadt völlige Ruhe und Ordnung herrschte.

Quelle:

Text 1: Jenaer Volksblatt vom 16.3.1921

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273842/JVB_19210316_063_167758667_B1_002.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00371285

Text 2: Das Volk vom 16.3.1921

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00226548/Das_Volk_1921_03_0445.tif

 

Bild:

Weimar-1850-Rathaus - Weimar – Wikipedia