Deutsche Mehrheit in Oberschlesien
Die Volksabstimmung in Oberschlesien bringt ein eigentlich klares Ergebnis. Rund 60 Prozent der Abstimmungsberechtigten stimmen für einen Verbleib der Provinz bei Deutschland. Einen Tag nach der Abstimmung sind die politischen Konsequenzen aber noch ungewiss.
Die Abstimmung in Oberschlesien.
Das Gesamtergebnis noch ungewiß.
Die ersten Meldungen.
Breslau, 20. März, nachmittags. Zu den nördlichen und nordwestlichen Kreisen des Abstimmungsgebietes ist nach den bisher vorliegender Nachrichten die Abstimmung ruhig verlaufen. In Oppeln herrscht freudige Begeisterung. Aus den südlichen Kreisen und dem Industriegebiet liegen zuverlässige Nachrichten noch nicht vor.
Oppeln, 20. März, nachmittags 1 Uhr. Die Abstimmung in Oppeln vollzieht sich unter großer Beteiligung. Sie verlief bisher reibungslos. Nirgends haben sich Zwischenfälle ereignet.
Breslau, 21. März. Die Hauptgeschäftsführung der Vereinigten Verbänd heimattreuer Oberschlesier teilt mit: Die Wahlbeteiligung ist nach allen eingelaufenen Berichten überaus groß. Die besten Wahlbeteiligungsziffern aller Reichstags- und Landtagswahlen sind weitaus überschritten. Soweit wir die Lage übersehen können, ist durchweg 100prozentige Wahlbeteiligung. Beste Zuversicht auf deutscher Seite. Polnischer Terror tritt bisher nicht in Erscheinung.
Breslau, 21. März. Die Vereinigten Verbände Heimattreuer Oberschlesier, Hauptgeschäftsführung Breslau, haben, da der Telephonverkehr nach Oberschlesien gesperrt ist, einen Kurierdienst eingerichtet, der durch die Vertrauensmänner sämtlicher Ortsgruppen in Oberschlesien sofort Meldungen über die Abstimmungsergebnisse übermittelt. Dies war bekannt geworden und es hatte sich trotz der späten Nachtstunde eine große Menschenmenge vor dem Hause der Geschäftsführung der Vereinigten Verbände heimattreuer Oberschlesier, Taschenstraße 10, eingefunden, wo durch einen Projektionsapparat die Ergebnisse bekannt gegeben wurden.
Berlin, 20. März, 1,50 Uhr nachts. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen aus dem Kreise Kreuzburg sind abgegeben für Deutschland 33.980 Stimmen, für Polen 1.556 Stimmen.
Polnischer Terror.
Berlin, 20. März. In den südöstlichen Bezirken des oberschlesischen Abstimmungsgebietes haben sich in den letzten Tagen Zustände entwickelt, die zu den ernstesten Befürchtungen Anlaß geben. In den Kreisen Pleß, Rybnick, Kattowitz-Land, Beuthen-Land und Tarnowitz hat die deutsche Bevölkerung auf dem flachen Lande unerträglich unter dem polnischen Terror zu leiden. Die deutsche Regierung hat bei den Berliner Vertretern der alliierten Mächte, bei der interalliierten Kommission in Oppeln und bei den alliierten Regierungen in London, Rom und Paris zu wiederholten malen schärfste Verwahrung gegen die unerhörten Zustände in Oberschlesien eingelegt und tatkräftige Maßnahmen zum Schutze der Bevölkerung verlangt. Sie hat insbesondere mit Nachdruck verlangt, daß die alliierten Truppen nicht nur in den Städten, in denen vollkommene Ruhe herrscht, versammelt bleiben, sondern zum Schutze der schwer bedrängten Bevölkerung auf das flache Land verteilt werden.
[…]
Deutsche Mehrheiten.
Berlin, 21. März. Die vereinigten Verbände heimattreuer Oberschlesier melden auf Grund der Zusammenstellung der Ergebnisse durch die Ortsgruppenleiter folgende vorläufigen Gesamtergebnisse:
|
deutsch |
Polnisch |
Kattowitz (Kreis, Stadt und Land) |
72.831 |
66.187 |
Königshütte (Stadt) |
31.848 |
10.768 |
Beuthen (Kreis) |
59.232 |
62.040 |
Hindenburg |
36.676 |
31.625 |
Tarnowitz (Stadt) |
8.083 |
2.738 |
Geringe Einzelergebnisse stehen noch aus, die jedoch an dem Gesamtergebnis nicht mehr viel ändern werden.
Erschwerung der Berichterstattung.
Berlin, 21. März, 2 Uhr nachts. Die von der Interalliierten Kommission in Oppeln angeordnete Sperre des Fernsprechverkehrs hat eine geordnete, zuverlässige Berichterstattung über das Abstimmungsergebnis unmöglich gemacht. Es muß deshalb darauf hingewiesen werden, daß eine Anzahl von privater Seite verbreitete Meldungen, soweit bis jetzt festgestellt werden konnte, der Zuverlässigkeit entbehren. Zur Stunde läßt sich noch keineswegs ein Ueberblick über das Ergebnis der Abstimmung gewinnen. In einer Reihe von Städten ist die deutsche Mehrheit, wie erwartet werden mußte, erzielt worden. Nach den bisher vorliegenden Meldungen, die ebenfalls nur unter Vorbehalt wiedergegeben werden, hat sich in der Stadt Oppeln eine Mehrheit von 94 Prozent ergeben. Der Landkreis Oppeln weist nach den bis jetzt vorliegenden Meldungen ebenfalls eine deutsche Mehrheit auf, doch fehlen von 164 Orten noch die Ergebnisse aus 60 Ortschaften. In der Stadt Groß-Strelitz beträgt die deutsche Mehrheit 85 Prozent, in der Stadt Rosenberg 90, in der Stadt Tarnowitz 83, in der Stadt Kosel 94, in der Stadt Gleiwitz 90 Prozent.
Quelle:
Jenaer Volksblatt vom 21.3.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273846/JVB_19210321_067_167758667_B1_001.tif
Bilder:
26_03.pdf (simplicissimus.info)
Oberschlesien 1921 Voten - Volksabstimmung in Oberschlesien – Wikipedia