Ebert fordert Recht statt Gewalt
Die Entente beschloss auf der Londoner Konferenz eine Gesamtsumme von über 200 Milliarden Goldmark, die das Deutsche Reich als Reparationszahlungen zu leisten hatte. Zwar sollte diese hohe Summe über einen langen Zeitraum abgeleistete werden, aber die Empörung über den einseitigen Beschluss der Entente ist dennoch parteiübergreifend, wie dieser Aufruf der Staatsspitze zeigt.
Offener Bruch des Friedensvertrages.
Aufruf des Reichspräsidenten.
Berlin, 7. März. Der Reichspräsident hat folgende Proklamation ergehen lassen:
Mitbürger! Unsere Gegner im Weltkriege haben unerhörte und unerfüllbare Forderungen an Geld und Gut an uns gestellt. Wir selbst nicht nur, sondern auch unsere Kinder und Enkel sollen Arbeitssklaven unserer Gegner werden. Durch unsere Unterschrift sollten wir einen Vertrag besiegeln, den auszuführen auch die Arbeit von Generationen nicht genügt hätte. Das durften und konnten wir nicht tun! Unsere Ehre, unsere Selbstachtung verbot es!
Unter offenem Bruche des Friedensvertrages von Versailles sind die Gegner zur Besetzung weiteren deutschen Landes geschritten. Der Gewalt können wir Gewalt nicht entgegensetzen. Aber hinausrufen können wir es, daß es alle hören, die noch die Stimme der Gerechtigkeit erkennen:
Recht wird hier zertreten durch Gewalt!
Mit den Bürgern, die Fremdherrschaft erdulden müssen, leidet das ganze Volk. Ehern zusammenschmieden soll uns dieses Leid zu einigem Fühlen, zu einigem Willen!
Mitbürger! Treter der fremden Besetzungsherrschaft mit ernster Würde entgegen! Bewahrt unsern aufrechten Sinn! Aber laßt Euch nicht zu unbesonnenen Taten hinreißen. Harret aus! Habt Vertrauen! Die Reichsregierung wird nicht eher ruhen, bis fremde Gewalt vor unserm Rechte weichen muß.
Der Reichspräsident: Ebert.
Der Reichskanzler: Fehrenbach.
Quelle:
Jenaer Volksblatt vom 8.3.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273835/JVB_19210308_056_167758667_B1_001.tif
Bild:
Bundesarchiv Bild 102-00015, Friedrich Ebert - Friedrich Ebert – Wikipedia