Kronstädter Revolutionäre gegen Lenin
Der Matrosenaufstand in Kronstadt politisiert sich, wie entsprechende Forderungen an die Sowjetregierung zeigen. Zudem spekuliert „Der Deutsche“ aus Sondershausen über eine mögliche französische Intervention zugunsten der Matrosen, was jedoch nicht geschehen wird.
Französische Kriegsschiffe nach Kronstadt.
Reval und Narwa von Landungstruppen besetzt.
Mehrere im Baltischen Meer kreuzende französische Torpedoboote und mehrere Kreuzer sind plötzlich mit unbekanntem Ziel abgedampft. Wie aus französischen Kreisen mitgeteilt wird, haben sie Befehl erhalten, Kronstadt anzulaufen, um dort gemeinsam mit den aufrührerischen Matrosen, die in Gegenrevolution gegen Petersburg und Moskau stehen, zu operieren. – Wie aus Reval gemeldet wird, sind leichte französische Seekräfte im Hafen eingelaufen, haben mehrere Abteilungen an Land gesetzt und von Reval Besitz ergriffen. Unermeßliche Vorräte, die für die Bolschewisten bestimmt und zum Abtransport dort eingelagert waren, sind beschlagnahmt worden. Auch Narva soll besetzt sein. – Das amerikanische Rote Kreuz hat große Vorräte an Lebensmitteln und Ausrüstungsgegenständen zur Verfügung der Kronstädter Matrosen gestellt und sich mit ihnen in Verbindung gesetzt.
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Das Programm der Kronstädter Revolutionäre.
Der revolutionäre Rat in Kronstadt verkündet als sein Programm:
- Einberufung einer gesetzgebenden Versammlung.
- Gewährleistung der persönlichen und politischen Freiheit für alle Bürger.
- Weigerung mit der Räteregierung zu verhandeln.
Inzwischen sucht die Sowjetregierung mit allerlei Versprechungen die Bewegung zu beschwichtigen. In einem Aufruf teilt sie u. a. mit, daß gegen Gold im Auslande 300.000 Tonnen Kohle für Petersburg angekauft seien und daß unter Kontrolle der parteilosen Arbeiter Eilzüge nach Getreide entsandt worden seien. Alle zwangsweise durch die Arbeitsmobilisation aus den Dörfern nach Petersburg verbrachten Arbeiter sollen sofort entlassen werden. Vor allem verkündet der Aufruf, die Sowjetregierung wolle die Lage der Bauernschaft erleichtern. (!) Sie plane, das bestehende Ablieferungssystem für Getreide durch eine feste Getreideabgabe in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Ernte zu ersetzen und den Bauern das freie Verfügungsrecht über den Rest einzuräumen. Außerdem aber hat, nach aufgefangenen Funksprüchen, die Sowjetregierung auch zu außerordentlichen Strafmaßnahmen gegriffen, um den Aufstand niederzuwerfen. Massenhinrichtungen und Einziehung des Eigentums der Bauern, die dem Einberufungsbefehl nicht Folge leisten, sind an der Tagesordnung. Die Kronstädter Flotte ist in die Newamündung eingelaufen und hat in Petersburg Marinetruppen gelandet, die in den Straßen mit roten Truppen ins Gefecht kamen. Die Hauptkräfte der roten Truppen stehen augenblicklich bei Gatschina, wo sich auch Trotzki und das bolschewistische Oberkommando befindet. Der antibolschewistische Charakter der Truppenmeutereien in Pskow hat sich inzwischen bestätigt.
Quelle:
Der Deutsche vom 12.3.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00247701/SDH_19376538_1921_Der_Deutsche_0255.tif
Bild:
19210301-kronstadt resolution - Kronstädter Matrosenaufstand – Wikipedia