Neuer Präsident – neues Glück?
US-Präsident Warren G. Harding, der im Januar 1921 Woodrow Wilson ablöste, möchte vor allem in der Außenpolitik neue Akzente setzen. In dieser Rede legte Harding seine dementsprechenden Ansichten dar.
Hardings Botschaft.
Die Rede, die Harding anläßlich der Uebernahme der Präsidentschaft der Vereinigten Staaten in Washington hielt, hat folgenden Wortlaut:
„Ein Beobachter, der seinen Blick über die Welt schweifen läßt nach all der entsetzlichen Qual, und der die Trümmer betrachtet, die allenthalben in großer Zahl entstanden sind, kann sich wohl kaum einer gewissen Befriedigung erwehren, wenn er die Festigkeit der Dinge betrachtet, die all dieses Unheil überlebt haben. Wenn er Amerikaner ist, so wird er mit Traurigkeit, die aber doch mit Hoffnung sich mischt, die Atmosphäre atmen, die nunmehr geklärt ist. Wir haben der Entfesselung der Furie über die ganze Welt hin beigewohnt und sehen nun, daß unsere Republik immer noch stark auf ihren Fundamenten ruht, daß unsere Zivilisation gerettet ist. Unsere Verfassung wies nur eine Zweideutigkeit auf, aber der Fehler des Artikel 61 wurde wieder gutgemacht durch die Taufe der Opfer und des Blutes. Die Einheit wurde stets gewahrt und ebenso der hohe Wille des Volkes, das mehr denn je vom Geiste tiefdringender Eintracht durchdrungen ist. Wir haben es erlebt, daß die ganze Welt voll Hoffnung ihre Blicke auf die großen Wahrheiten richtete, auf denen unsere Väter ihr Werk aufgebaut hatten. Die materiellen und moralischen Fortschritte, welche unsere Republik hat verwirklichen können, beweisen ohne weiteres die Weisheit der Politik, die uns von unseren Vätern überkommen ist, der Politik, die darin besteht, sich nicht in die Angelegenheiten der alten Welt verwickeln zu lassen. Wir haben nicht die Absicht, uns in dies Wirrsal hineinziehen zu lassen. Wir werden keinerlei Verantwortung übernehmen, es müßte denn sein, daß unser Gewissen und unser Urteil uns dazu bestimmen sollten. Unsere Augen werden niemals sich verschließen angesichts irgendeiner Drohung, die uns erwachsen könnte. Wir werden dem Ruf der Zivilisation gegenüber nicht taub bleiben. Wir erkennen die neue Ordnung der Welt an mit ihren engeren Berührungspunkten, die ein Ergebnis des Fortschritts sind. Wir fühlen tief im Innern den Ruf des Menschenherzens nach Freundschaft, Brüderlichkeit und gegenseitiger Unterstützung. Wir fordern Freundschaft und hegen keinen Haß. Aber Amerika kann und darf nicht an irgend einem ständigen militärischen Bündnis beteiligt sein. Es kann keinerlei politische und wirtschaftliche Verpflichtungen übernehmen, die unsere Entschließungen einer Autorität unterordnen müßten, die nicht die unsrige ist. Wir hoffen, unsere Rolle zu erfüllen, indem wir einen jeden Angriffskrieg so hassenswert erscheinen lassen, daß die Regierungen und die Völker, die dazu ihre Zuflucht nehmen, beweisen müssen, daß ihre Sache gerecht ist, oder aber, es müßten die Gesetzesverächter vor den Schranken des Weltgerichts erscheinen. […]
[…] Unsere Freiheit ist nie bis zum kriegerischen Angriff gegangen, nie hat man es erlebt, daß wir durch Gewalt unser Gebiet vergrößert haben. Nie riefen wir das Glück der Waffen an, bevor wir nicht jeden Versuch gemacht haben, der Vernunft zu ihrem Recht zu verhelfen. Wenn erst die Regierungen der ganzen Welt gleiche Freiheiten wie mir geschaffen haben und in gleicher Weise wie wir dem Streben nach Frieden ihre Kräfte leihen, dann wird, so glaube ich, die Traurigkeit des Opfers des Krieges zwischen den Völkern zum letzten Male niedergeschrieben werden.“
Harding versicherte dann, sein höchstes Bestreben werde sein, den Wiederaufbau, die Neugestaltung, die Wiederherstellung mit allen Kräften zu beschleunigen. Der Präsident sprach sich für den Schutz der amerikanischen Industrie aus, ohne den die ausländische Konkurrenz den allgemeinen Lebensstandard zum Sinken bringen werde. Harding rief den Geist der Initiative der Amerikaner an und das Genie Amerikas, Amerika eine starke Handelsflotte zu schaffen. Es gilt, sagte er, dieser Aufgabe mit wahrer Hingabe sich zu widmen, die würdig ist des großen Zieles. Es ist unbedingt nötig, daß die amerikanischen Schiffsladungen mit amerikanischen Schiffen über See befördert werden, um den Weg nach allen Märkten der Welt zu finden. Harding sprach sich noch zugunsten der Erleichterung der Steuerlast aus, für die Förderung der Kreditgewährung, für den Frieden in der Welt der Industrie und eine weitherzige Verteilung der Früchte der Arbeit. Er erklärte sich als Gegner jedes unberechtigten Eingreifens der Regierung in die Geschäftswelt. Er schloß mit folgenden Worten: Man muß sich der Verpflichtungen und Schulden entledigen, die aus dem Krieg herrühren; denn keine Zivilisation könnte deren Verleugnung überleben.