Rot auf Grün
Die Verluste der quasi militärischen Niederschlagung des Mitteldeutschen Aufstandes sind vor allem in den Reihen der Aufständischen zu verzeichnen. Aber auch die (grün uniformierten) Polizeikräfte hatten Verluste, wie „Der Deutsche“ beklagt. Problematisch ist tatsächlich, dass die soziale Absicherung der Beamten bzw. ihrer Hinterbliebenen nicht ausreichend gewährleistet ist.
Die Schutzpolizei.
Die schweren Kämpfe, in die die Schutzpolizei bei der Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung in der Provinz Sachsen verwickelt worden ist, und die schweren Verluste an Toten und Verwundeten, die sie bei dieser Gelegenheit erlitten hat, rufen eine bisher verabsäumte Pflicht der Staatsinstanzen erneut ins Gedächtnis. Während bei der Reichswehr, die ja aus den jetzigen polizeilichen Aufgaben geflissentlich herausgehalten wird, ein Versorgungsanspruch bereits gesetzlich festgelegt ist, ist bei der Schutzpolizei all dies noch ungeregelt. Die Beamten wissen absolut nicht, woran sie sind; sie stehen ständig vor der Möglichkeit, krumm und lahm geschossen zu werden, ohne daß ihnen für diesen Fall ein Rechtsanspruch zur Seite stünde. Wenn sich das bei den bisherigen Gelegenheiten noch nicht als ihre Tatkraft lähmend gezeigt hat, so bekundet das einen Idealismus und eine Pflichttreue der wackeren Grünen, die dem Staate doppelt zur Aufgabe machen, auch seine Pflicht ihnen gegenüber zu erfüllen. Es sollte eigentlich nicht vorkommen dürfen, daß die Presse ihn erst an das Verabsäumte mahnen muß. Die Ergebnisse in Hamburg und in Mittel-Deutschland haben gezeigt wie besonnen, pflichtgetreu und mutig sich die grünen Beamten für die Allgemeinheit einsetzen. Hundertschaften aus den verschiedensten Städten, ohne einheitlichen Befehl und Führung, ohne Ausrüstung für den Aufenthalt außerhalb ihrer Städte, mit unzureichender Ausrüstung an Wagen und Bespannung, ohne Artillerie, Minenwerfer und M.-G., knapp mit Karabinern ausgerüstet, und mit wenig Munition stehen im Kampfe mit Verbrecherbanden und aufgehetzten Arbeitern, die verschanzt oder in Häuserblocks und in Grubenrevieren ihnen mit M.-G., Minenwerfern und Handgranaten entgegentreten. Ohne genügend Munition und schwere Waffen hat sich eine ganze Abteilung in Eisleben über einen Tag lang von schwerbewaffneten Aufrührern belagern lassen müssen. Beides ist neben der Schuld des Verbandes, der in seiner krankhaften Angst vor uns, darauf bestand, daß alle schweren Waffen der Schutzpolizei weggenommen, die Munitionsbestände nur ganz gering bemessen würden, die Schuld einer Regierung, die voreilig ihren Ansinnen nachkam, die Polizei entwaffnete und nie an die Waffen der Linksradikalen glauben wollte. Doppelt anzuerkennen ist der Mut und die Pflicht treue der Beamten der Schutzpolizei, ganz besonders, wenn man hinzunimmt, daß sie eben heute noch nicht einmal ein Versorgungs- oder Pensionsgesetz haben, nicht wissen, wann und unter welchen Bedingungen sie angestellt werden, daß ihre Gehaltsansprüche noch nicht so geregelt sind, wie es den Beamten beim Eintritt versprochen war, d. h. mindestens so wie bei der Reichswehr, die nicht den schweren Tag- und Nachtdienst und den dauernden Verbrecherkampf hat.
Quelle:
Der Deutsche vom 30.3.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00247701/SDH_19376538_1921_Der_Deutsche_0318.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00307553