100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Kommt der Zweite Weltkrieg?

Die Thüringische Landeszeitung reflektiert über die amerikanisch-japanischen Spannungen und sorgt sich über die kaum lösbaren Streitpunkte. Neben der japanischen Migration in die USA stehen auch der japanische Expansionsdrang und die Verteilung des deutschen Kolonialbesitzes im Pazifikraum zur Debatte.

Japanisches Propagandaposter in der Mandschurei

Amerika und Japan.

(Zwei Gegner im Weltringen der Zukunft.)

Von Oberst a. D. Immanuel.

Schon vor dem Weltkrieg ist oft und viel von der vielleicht nahe bevorstehenden Möglichkeit gesprochen worden, daß Amerika und Japan sich mit den Waffen auseinandersetzen werden, da es eine andere Schlichtung der ungeheuren Fragen nicht geben kann, welche zwischen den beiden Mächten schweben. Der Weltkrieg hat die Streitigkeiten einstweilen beigelegt. Amerika wie Japan fanden sich Schulter an Schulter neben der Entente im Bunde gegen Deutschland. Amerika wollte Deutschland nicht siegen lassen; denn es war der stark belastetete Gläubiger der Entente und das ihr für Lieferungen aufgebrachte Geld war verloren, wenn die Entente unterlag. Japan war mit England im Bunde und suchte nach Vergeltung an Deutschland, das durch die nicht kluge Politik in der Zeit vor dem Weltkriege mehrfach die Interessen Japans durchkreuzt hatte.

Amerika und Japan haben durch den Weltkrieg ungeheure Gewinne gemacht. Amerika verdiente durch seine Lieferungen Hunderte von Milliarden und warf sich schließlich zur entscheidenden Macht auf. Ohne die amerikanischen Lieferungen hätten sich England und Frankreich nicht im Felde behaupten können. Als die Deutschen 1917 sich als scheinbar unbesiegbar erwiesen, griff Amerika zu, um sich den Waffen an die Seite der Entente zu stellen. Die 2 Millionen Mann, die Amerika mit echt amerikanischer Organisationskraft auf den französischen Kampfplatz warf, gaben den Ausschlag, denn sie brachten frisches Blut mit und gaben uns den Rest, als wir durch innere Wirren uns selbst geschwächt hatten. Wilson war der Herr und Meister, dem wir uns in unbegreiflicher Demut unterworfen haben. Jetzt stand die gleiche Unglückstat vor Harding bevor.

Japan hat im Weltkriege fast gar keine Opfer gebracht. Mit Hilfe seiner Waffen war es ihm eine Kleinigkeit, die paar Deutschen in Tsingtau zu bewältigen. Später haben sich einige japanische Kriegsschiffe an der Jagd auf deutsche Unterseeboote und Hilfskreuzer beteiligt und recht billigem Ruhm hierbei geholt. Japan hat zwar nicht so viel Geld wie Amerika aus dem Weltkriege verdient, aber doch recht erhebliche Summen beiseite gebracht, fast soviel, um seine vordem sehr drückenden Schulden zu bezahlen. Es lieferte an Rußland seit Anfang 1915 fast das ganze Kriegsmaterial und verstand es, sich bezahlt zu machen, noch bevor das Zarentum zusammenbrach.

So gingen Amerika und Japan gestärkt aus dem Weltkriege hervor, während die übrige Welt – Besiegte wie Sieger – unter den Nachwirkungen des Krieges wirtschaftlich schwer zu leiden haben. Mit dieser Machtvermehrung der beiden Gegner hing aber zugleich die Verschärfung ihrer Gegensätze zusammen, welche durch den Ausgang des Weltkrieges sich stark verschoben hatte.

[…]

Japan besitzt seit mehr als 30 Jahren die volle allgemeine Wehrpflicht und hält etwa 300.000 Mann unter Waffen, kann auch im Kriegsfall ebensoviel wie Amerika aufbringen. Seine Flotte ist schwächer wie die amerikanische, wird dauernd durch Neubauten an Linienschiffen und allerneusten Seekampfmitteln vermehrt; denn Japan ist gewillt, den Vorsprung der Amerikaner einzuholen.

Der Zukunftskrieg zwischen Amerika und Japan wird zur See geführt werden oder hängt davon ab, ob England dem einen oder dem anderen der beiden Gegner hilft, die sich einstweilen die Waagschale halten. Zu Lande können die Japaner nicht in Amerika, die Amerikaner nicht in Japan landen. Die Philippinen freilich dürften eine schnelle Beute der Japaner werden. Vermutlich werden die Japaner versuchen, diese Inselgruppe und die Mandschurei, wo sie schon jetzt die vormals russischen Territorialrechte an sich gerissen haben, zu Ernährungszwecken auszuwerten, denn Japan kann ohne Zufuhr ebensowenig leben, wie wir es während des Weltkrieges gekonnt haben. Auf diesen Gesichtspunkt wird der Kriegsplan der Amerikaner gegen Japan gerichtet sein. Kann es Japan von jeder Zufuhr abschneiden, dann wird sich Japan unterwerfen müssen, während Japan siegreich bleiben dürfte, solange ihm die freie Seeverbindung gehört.

Ob der zweite Weltkrieg, der amerikanisch-japanische, unter Beteiligung Englands stattfinden wird oder eine andere Mächtegruppierung zustande kommen dürfte, wer will das heute sagen? Sicher aber ist, daß sich im Raume zwischen Japan und Amerika Ereignisse abspielen dürften, die große Entscheidungen bringen müssen; denn der Kampf zwischen den beiden Großmächten ist eine Rassen- und Wirtschaftsfrage von allererster Bedeutung.

Quelle:

Allgemeine Thüringische Landeszeitung vom 30.5.1921

 

Bild:

Manchukuo011 - Großostasiatische Wohlstandssphäre – Wikipedia