Wie umgehen mit der DVP?
Das Jenaer Volksblatt schreibt gegen die Behauptung des „Berliner Lokalanzeigers“ an, wonach die Führer der demokratischen Fraktion es begrüßen würden, wenn die DVP in die Regierungskoalition einträte, insbesondere da man ansonsten ein Auseinanderbrechen der Regierung befürchte.
Törichtes Gerede
Der deutschnationale „Berliner Lokalanzeiger“ will erfahren haben, daß die Führer der demokratischen Fraktion mehreremale in der Wilhelmstraße geweilt hätten, um dem Reichskanzler Wirth zu erklären, daß sie es außerordentlich begrüßen würden, wenn die Deutsche Volkspartei in die Regierungskoalition eintreten würde. Man rechne in demokratischen Kreisen mit der Gefahr, daß die Mehrheitssozialdemokratie die Dinge zur Reichstagsauflösung treibe, wenn die Regierungskoalition nicht stark genug sei. Die Demokraten ließen sich also aus der Angst vor der Partei bestimmen, mit der sie zusammen in einer Koalition säßen. Besonders der „stillschweigende Flügel“ der demokratischen Partei dränge auf den Eintritt der Volkspartei in die Regierung und habe durchblicken lassen, daß er entschlossen sei, aus der demokratischen Partei auszutreten, wenn nicht innerhalb der nächsten sechs Wochen die Fühlung nach rechts aufgenommen sei.
Das alles ist törichtes Gerede! Die demokratische Reichstagsfraktion hat vor, während und nach der Entscheidung über die Regierungsbildung immer wieder vor breiter Öffentlichkeit erklärt, daß sie aus sachlichen Gründen die Heranziehung aller für die Durchführung des Ultimatums ehrlich bereiten und fähigen Kräfte wünscht und deshalb eine Ergänzung und Ausgestaltung des Reichsministeriums, das sie nur als ein Provisorium anzusehen vermöge, erstrebt. Unmittelbar vor dem Auseinandergehen in die Pfingstferien hat sie diese ihre Ansicht in einer Entscheidung kundgetan, die der gesamten Presse, nicht nur der demokratischen, zur Veröffentlichung übergeben und damals auch allgemein verbreitet worden ist. Sie lautet:
„Die demokratische Reichstagsfraktion hat sich eingehend mit der Lage nach Annahme des Ultimatums beschäftigt und einmütig zum Ausdruck gebracht, daß unumgänglich geboten sei, zur Durchführung der jetzt zu lösenden Aufgaben die zur Mitwirkung ehrlich bereiten und fähigen Kräfte ohne Rücksicht auf ihre bisherige Stellungnahme zur Frage des Ultimatums und unter besonderer Beteiligung der Kreise des Wirtschaftslebens heranzuziehen und nach diesen Gesichtspunkten die Ergänzung und Ausgestaltung des Reichsministeriums vorzunehmen.“
Diese einmütige Kundgebung ist klar und eindeutig. Wenn sie jetzt ein deutschnationales Blatt zu geheimnisvollen eigenen Informationen ausmünzt und dabei noch fälscht, so liegt die parteipolitische Tendenz offen zutage. Die demokratische Fraktion und ihre Führer verhalten sich selbstverständlich genau nach den durch Fraktionsbeschluss festgelegten Richtlinien. Sie werden sich auch an sie halten, bei den Maßnahmen, die zur Ergänzung und Ausgestaltung des Reichsministeriums gegenwärtig im Gange sind.
Quelle:
Jenaer Volksblatt vom 26.5.1921
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273899/JVB_19210526_120_167758667_B1_002.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00371342
Bild:
DDP-Wahlkampf 1929 - Deutsche Demokratische Partei – Wikipedia