100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Jenaer Flüchtlingsstatistik

In Folge des Ersten Weltkrieges kam es in fast allen deutschen Grenzregionen zu Migrationsbewegungen. Auch in Jena ließen sich zahlreiche Geflüchtete nieder, wenn auch manchmal nur für kurze Zeit wie diese Bestandsaufnahme zeigt.

Deutsche Siedlungsgebiete in Osteuropa, um 1925

Die Grenzlanddeutschen in Jena.

Auf Veranlassung des Deutschen Grenzbundes habe ich mit Erlaubnis des hiesigen Gemeindevorstandes, dem ich hierfür an dieser Stelle meinen Dank ausspreche, auf dem hiesigen Einwohnermeldeamt die zirka 50.000 Bestandskarten der Einwohner Jenas durchgesehen und die Namen und Anschriften derjenigen Personen über 18 Jahre festgestellt, welche aus den preußischen Provinzen Schlesien, Posen, Westpreußen, Ostpreußen und Schleswig-Holstein gebürtig sind, wobei ich keinen Unterschied machte, ob einen Teil dieser Provinzen durch den Frieden von Versailles verloren hat und wobei zu Schleswig-Holstein noch die aus Hamburg, Lübeck und dem oldenburgischen Bezirk Eutin Gebürtigen hinzugezählt wurden. Dazu kamen noch die aus Elsaß-Lothringen und dem Saarstaat, einschließlich Eupen stammenden Personen, endlich die aus dem ehemaligen Kaiserreich Oesterreich-Ungarn Gebürtigen, wobei aber natürlich nur diejenigen deutscher Abstammung in Betracht kamen. Der Zweck dieser Arbeit soll die Zusammenfassung der Grenzlanddeutschen zu losen Vereinigungen vorbereiten, welche in allen größeren Orten Deutschlands eingerichtet werden müssen, um den Zusammenhang der aus den deutschen Grenzländern stammenden Personen auch in der Fremde zu fördern.

Vielleicht ist das Resultat zunächst der statistischen Zusammenstellung von allgemeinerem Interesse, das daher kurz mitgeteilt sei: Aus den genannten Bezirken stammen im ganzen 1.559 Personen, darunter 655 weibliche, also 42 v. H. Auf die einzelnen Landesteile entfallen: Schlesien 579 (215), Posen 187 (86), Westpreußen 153 (63), Ostpreußen 188 (97), Schleswig-Holstein 192 (81), Deutsch-Oesterreich 162 (69), Elsaß-Lothringen 76 (36), Saarstaat und Eupen 22 (8). Die Zahlen in Klammern bedeuten die weiblichen Personen. Relativ am stärksten sind letztere vertreten in Ostpreußen (52 v. H.); am wenigsten im Saarstaat (36 v. H.) und in Schlesien (37 v. H.).

Rechnet man dazu noch die unter 18 Jahre alten Personen, so darf man sagen, daß im Durchschnitt auf je 30 Jenenser ein Grenzlanddeutscher kommt.

Es interessiert vielleicht noch ihre Zahl in einigen Bezirken und Kreisen besonders anzuführen, wobei aber immer nur die über 18 Jahre alten Personen gemeint sind.

In Jena wohnen: 64 Breslauer, 38 Görlitzer, 23 Danziger, 36 Königsberger und 73 Hamburger. Aus Kiel stammen 20, aus Wien 12, aus dem Bezirk Eger 22, aus dem Kreis Memel 13, aus dem Kreis Gumbinnen 12, aus dem Kreis Schlochau in Westpreußen 18, aus Posen Stadt und Land 19, aus Bromberg Stadt und Land 28, aus dem Kreis Hohensalza 13, aus dem Kreis Metz 22, aus dem Landkreis Breslau 16, aus dem Kreis Schweidnitz 14, aus dem Kreis Grünberg 16, aus Liegnitz 17, aus Hirschberg 21, aus dem Kreis Oppeln 21, aus den Kreisen Gleiwitz und Kattowitz je 14.

Es versteht sich von selbst, daß diese Zahlen auf völlige Exaktheit keinen Anspruch machen, schon deshalb nicht, weil ihre Ermittlung 6 Wochen gedauert hat, während welcher Zeit fortwährend Aenderungen vorgenommen sind, welche jedoch das Gesamtresultat wohl wenig beeinflussen.

W. Halbfaß.

Quelle:

Jenaische Zeitung vom 26.11.1920

In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00277666/JZ_Jenaische_Zeitung_169419428_1920_11_0143.tif

 

Bild:

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Minderheit_in_Polen#/media/Datei:Deutsche_Siedlungsgebiete_in_Osteuropa_1925.jpg