Republikaner gewinnen die US-Wahl
Die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten ist entschieden. Warren G. Harding ist mit rund 60% gewählt worden. Dieser überwältigende Sieg hatte sich schon lange abgezeichnet, wofür das Jenaer Volksblatt die außenpolitische Bilanz des demokratischen Präsidenten Wilson verantwortlich macht.
Präsident W. G. Harding.
(Von unserem Berliner Mitarbeiter.)
Die Wahl des Republikaners Harding zum Präsidenten der Vereinigten Staaten galt seit Wochen als eine totsichere Sache. Es ist daran zu erinnern, daß seit der Wahl Grover Clevelands im Jahre 1884 die Demokraten bei jeder Wahl mehr ins Hintertreffen gerieten. Schon 1888 siegte der Republikaner Harrison wieder mit erheblicher Mehrheit. Bei jeder Neuwahl befestigte sich diese Mehrheit, so daß nach menschlichem Ermessen für die demokratische Partei kaum noch Aussicht bestand, jemals wieder zur Macht zu gelangen. Der Republikaner Roosevelt brachte das Kunststück fertig. Eigenwillig und selbstherrlich verlangte er 1912, wieder als Bewerber aufgestellt zu werden. Allein die republikanische Parteimaschine hatte von der Persönlichkeit Roosevelts genug. Sie wollte nicht länger ausgeschaltet, sondern herkömmlich an der Regierungsgewalt beteiligt sein. Roosevelt gründete sich eine eigene Partei, die der Progressisten. Sie konnte zwar ihren Gründer und Führer bei der Wahl im November 1912 nicht durchsetzen, wohl aber durch die Spaltung der republikanischen Partei dem Demokraten Woodrow Wilson in den Sattel helfen. Unter gewöhnlichen Verhältnissen hätte Wilson 1916 keine Aussicht gehabt, wiedergewählt zu werden, da Roosevelt inzwischen sein Einspännertum aufgegeben hatte. Allein der europäische Krieg verlieh dem Präsidenten Wilson eine ungewöhnliche Bedeutung. Er hatte es verstanden, trotz seiner persönlichen Neigung zum Vielverband, auf beiden Schultern zu tragen. Er selbst meldete eigentlich schon im Herbst 1914 die Teilnahme der Vereinigten Staaten beim Friedensschluß an. Die Neutralen sahen zunächst in Wilson ihren Führer, während der Vielverband mit allen Mitteln die Stimmung der nordamerikanischen Bevölkerung zu beeinflussen suchte. Tatsache ist, daß zu Beginn des Krieges diese Stimmung nicht eigentlich deutschfeindlich war. Sie war aber auch nicht deutschfreundlich. Je mehr indessen die Industrie der Vereinigten Staaten ins Kriegsgeschäft kam, je stärker die Wühlarbeit des Vielverbandes einsetzte, desto mehr mußte mit dem Eingreifen Wilsons in irgendeiner Form gerechnet werden. Das aber war von seiner Wiederwahl abhängig, die wohl kaum ein Präsident, auch Roosevelt nicht, so energisch gefördert und gewünscht hat, als Woodrow Wilson. Er war es, der die Redensart prägte, Wilsons Weisheit siegt ohne Krieg! So gelang es ihm, die Deutsch-Amerikaner sowohl, als auch die zahlreichen Iren für seine Wiederwahl zu gewinnen. Er siegte mit knapper Mehrheit. Gewiß, er hat dann versucht, den Frieden in seiner Weise zu vermitteln. Wie es auf der einen Seite Tatsache ist, daß die deutsche Politik im Winter 1916/17 schwere Fehler beging, so ist es auf der anderen Seite auch Tatsache, daß Englands Kriegswille durch die diplomatischen Mittel Wilsons nicht hätte gebrochen werden können. Die Vereinigten Staaten erklärten Deutschland den Krieg. Wer hätte dies ungeheuerliche Geschehnis vor sieben Jahren für möglich halten können! Nachdem der Krieg einmal da war, war eben alles möglich. Der Vielverband gewann den Krieg, wobei Lloyd George und Clemenceau klug genug gewesen waren, der persönlichen Eitelkeit Wilsons zu schmeicheln. Sie überließen ihm die politische Führung des Krieges, um ihm in Versailles die Zügel aus der Hand zu nehmen. Hätten nur die deutschen Staatsmänner und Generale im Dezember 1916 soviel Menschenkenntnis besessen, als sie Lloyd George und Clemenceau eigen waren!
Was Wilson vorzuwerfen ist, ist, daß er die machtpolitischen Gegensätze Europas in ihren Triebkräften und in ihrer Entwicklung nicht genügend konnte. Lloyd George und Clemenceau konnten mit Europa und Asien machen, was sie wollten. Und sie haben es getan, ohne sich viel um Wilson zu kümmern. Der fuhr mit dem Versailler Vertrag wieder nach Hause. Drüben aber war die Stimmung umgeschlagen, denn was Wilson heimbrachte, war die dauernde Hineinzerrung der Vereinigten Staaten in alle europäischen Händel. Es ist noch in Erinnerung, wie der erbitterte Senat sich weigerte, den Friedensvertrag mit der Völkerbundklausel zu schlucken. Wilson hat und drohte! Alles vergeben. Vergeblich auch, daß er sich auf Reisen begab, um in Reden für seinen Friedensvertrag und Völkerbund zu werben. Ueberall holte er sich Absagen, so daß auch an der Niederlage der Demokraten bei der Präsidentenwahl nicht zu zweifeln war. Deshalb verzichtete Wilson auf die dritte Bewerbung. Den Durchfall überließ er einem seiner Getreuesten, Cox, der das dann auch mit gutem Geschick besorgt hat. Die demokratische Regierung, also auch die Amtszeit Wilsons währt bis zum 4. März 1921. Dann erst tritt Harding mit der republikanischen Parteimaschine an. Ihre erste Aufgabe ist es, mit Deutschland endgültig Frieden zu schließen. Deutschland wünscht das aufrichtig, da es niemals feindliche Gefühle gegen das nordamerikanische Volk hegte. Diese galten nur Wilson, der kein Friedenspräsident, sondern nur ein großer Unheilstifter war.
Quelle:
Jenaer Volksblatt vom 5.11.1920
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273733/JVB_19201105_261_167758667_B1_001.tif
Bilder:
https://de.wikipedia.org/wiki/Warren_G._Harding#/media/Datei:Harding_at_desk_with_newspaper.jpg