Raubmord bei Admiral Scheer
Die Familie von Reinhard Scheer, seines Zeichens Kommandeur der deutschen Hochseeflotte in der Skagerrakschlacht 1916, wurde Opfer eines brutalen Verbrechens. Ein Einbrecher hatte zunächst das Hausmädchen und Frau Scheer erschossen sowie die Tochter Scheers schwer verletzt. Die Presse ist entrüstet und auch Reichspräsident Ebert sendet ein Kondolenzschreiben. Zunächst wurde ein politischer Hintergrund der Tat vermutet, da der Mörder KPD-Mitglied war. Die polizeilichen Ermittlungen zerstreuen diese Theorie jedoch rasch.
Schwere Bluttat in Weimar.
Die Gattin des Admirals Scheer und das Hausmädchen Steiniger von einem anscheinend geisteskranken Einbrecher erschossen, die 18jährige Tochter des Admirals lebensgefährlich verletzt. Der Täter Maler Büchner tötete sich selbst.
Weimar, 9. Oktober. (ETB.) Heute nachmittag gegen 4 Uhr wurde in der Villa des Admirals Scheer eine Mordtat verübt. Im Kohlenkeller der Villa wurde zunächst das Dienstmädchen des Admirals tot aufgefunden. Im Vorkeller lag die Gemahlin des Admirals tödlich durch einen Kopfschuss verletzt und vor der Korridortür die 18jährige Tochter des Admirals, durch einen Brustschuss ebenfalls sehr schwer verletzt. Admiral Scheer befand sich in einem Zimmer des oberen Stockwerkes der Villa. In einem Nebenkeller lag der Mörder, der Maler Karl Büchner, der durch einen Schuss in den Kopf sich selbst entleibt hatte. Als die Schüsse fielen, floh ein zweiter Mann aus der Villa, dem man auf der Spur ist. Der im Keller aufgefundene Mörder war für die Tat gut ausgerüstet. Er hatte das Gesicht mit Tüchern umwickelt, in der Tasche ein Rasiermesser und weißen Pfeffer. Es ist noch nicht ermittelt, ob es sich um einen Raubmord handelt, da in der Villa selbst nichts gestohlen ist.
[…] Soweit die Tatsache. Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft, die beide sofort an Ort und Stelle den Tatbestand aufnahmen und auch den ganzen heutigen Sonntag mit Zeugenvernehmungen zubrachten, sind bezüglich der Beweggründe zu der Tat noch zu keinem abschliessenden Urteil gekommen; man steht noch vor einem Rätsel. Manche Momente sprechen für einen vorbedachten politischen Mord, da Büchner der kommunistischen Partei angehörte und in letzter Zeit viel in kommunistischen Kreisen in Halle und Magdeburg verkehrt hat. Unter dieser Annahme würde er den Kartoffelkeller zu seinem Versteck erwählt haben, um bei günstiger Gelegenheit den in kommunistischen Kreisen bestgehassten Admiral zu beseitigen. Durch die Frauen wurde er entdeckt bezw. Gestört, sah sein Vorhaben gescheitert und so wusste er keinen anderen Ausweg, als den beschrittenen. Andererseits wird angenommen, dass es sich um einen furchtbar dumm angelegten und missglückten Raub bezw. Diebstahl handelt. Für diese Annahme spricht die Tatsache, dass sich Büchner von seiner Braut den ihn unkenntlich machen sollenden Verband hat anlegen lassen und er wiederholt erzählt hat, „er werde demnächst viel Geld haben, er kenne reiche Leute und eine gute Gelegenheit” usw. Tatsächlich hat er von dem ganzen Milieu im Hause des Admirals Kenntnis gehabt, da er wiederholt hier gearbeitet hat. Schließlich ist beachtenswert, dass der Mörder ein wenig intelligenter Mensch war und wiederholt in psychiatrischen Anstalten auf seinen Geisteszustand untersucht worden ist. Die Beisetzung von Frau Admiral Scheer findet am 12. ds. Mts. Nachmittags statt.
[…]
Weimar, 11. Oktober. (WTB.) Frau Scheer ist bereits auf dem Wege zum Sophienkrankenhause ihren Verletzungen erlegen. Die Tochter des Admirals Scheer hofft man trotz ihrer schweren Verletzung am Leben zu erhalten. Nach dem bisherigen Ergebnis scheint festzustehen, dass Büchner ursprünglich nur einen Raub geplant hat. Er hatte sich durch eine Verschüttung im Kriege ein schweres Nervenleiden zugezogen und ist jedenfalls durch seinen Notlage (er war völlig mittellos) zudem Diebstahlsversuch veranlasst worden. Vor kurzem hatte sich Büchner den Syndikalisten angeschlossen, wodurch vielfach die Vermutung aufgetaucht ist, es könne sich auch um ein politisches Verbrechen handeln. Diese Auffassung wird jedoch von der Polizei nicht geteilt. Die Beerdigung der Opfer findet Dienstag nachmittag ½ 5 Uhr statt.
Berlin, 10. Oktober. Der Reichspräsident hat an Admiral Scheer, Weimar, folgendes Telegramm gerichtet: „Eurer Exzellenz spreche ich zudem schweren Verlust Ihrer Frau Gemahlin, die Ihnen durch ruchlose Mörderhand entrissen worden ist, meine aufrichtige Teilnahme aus und den herzlichen Wunsch, dass Ihre von dem gleichen Anschlag betroffene Tochter Ihnen erhalten bleibt. gez. Reichspräsident Ebert.”
Quelle:
Jenaer Volksblatt vom 11.10.1920
In: https://zs.thulb.uni-jena.de/rsc/viewer/jportal_derivate_00273711/JVB_19201011_239_167758667_B1_001.tif?logicalDiv=jportal_jpvolume_00371132
Bilder:
https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Scheer#/media/Datei:Almirante_Reinhard_Scheer.jpg
https://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_Scheer#/media/Datei:Weimar_Hauptfriedhof_Grabstein_Reinhard_Scheer_02.JPG