100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Volksverständigung dank Sport

Die1920er Jahre waren eine Dekade des Sportes. Manche Zeitgenossen sprachen sogar von einem regelrechten „Sportkult“, der – quasi als Ersatz für den fehlenden Heeresdienst – breite Bevölkerungsschichten erfasste. Die neue Landeshauptstadt Weimar möchte mit einer neuen, teuren Sportstätte an diesen Trend anschließen und erhoffte sich davon auch, dass der Sport das entzweite Volk vereinen werde.

Die Sportplatzfrage in Weimar.

Weimar, den 30. Oktober 1920.

Trotz aller Entrüstung über den „fluchwürdigen Militarismus“ war die allgemeine Wehrpflicht doch das körperliche Stahlbad, welches für die Volksgesundheit und Kraft unendlichen Segen gestiftet hat. Diese Gelegenheit, in jugendlichem Alter Bewegung in frischer Luft und körperlicher Disziplin und Ausbildung zu gewinnen, hat man unserer Jugend wohlweislich genommen. Wollen wir kräftig fortbestehen und eine Zukunft haben, so muß ein anderer Weg gefunden werden: die starke Anteilnahme immer größerer Kreise am Sport zeigt, daß er bereits beschritten wird, und jedermann ob alt oder jung, ob durch aktive Beteiligung oder Unterstützung finanzieller und anderer Art, hat die Pflicht sich in den Dienst der guten Sache zu stellen. Und noch ein anderes ist es, was uns der Sport bringen könnte. Unheilvolle Uneinigkeit geht wie ein Riß mitten durch unser schwergeprüftes Volk; vielen ist der politische Gegner im Innern verhaßter als der mitleidlose äußere Feind. Könnte hier nicht der Sportplatz der Ort sein, wo man sich ohne Vorurteil gegenübertritt, kennen und achten lernt und wo ohne Anwendung von allerlei Schlagworten nur die Persönlichkeit nach ihren Leistungen geschätzt wird? Muß es besondere Sportvereine für verschiedene Kreise der Bevölkerung geben? Welchen Gewinn würde es bedeuten, wenn statt der üblichen echt deutschen Zersplitterung hier einheitlich organisiert werden könnte! Was für eine Kraft einer geschlossenen Organisation innewohnt, zeigt gerade jetzt die Tätigkeit des Sportclub Weimar e. V. In der für den Sportbetrieb wichtigsten Frage des Sportplatzes geht dieser Verein jetzt selbstständig vor und ist im Begriffe, sich eine eigene erstklassige Sportplatzanlage zu schaffen, die neben derjenigen des S. C. Erfurt die einzige ihrer Art in Thüringen sein wird. Der Plan ist um so freudiger zu begrüßen, als Weimar für Sportausübung noch wenig Anlagen besitzt; und die von der Stadt geplante Sportplatzanlage liegt ebenso wie das Hallenbad aus finanziellen Gründen wohl noch in weiter Ferne.

Ueber die Anlage selbst sei folgendes mitgeteilt: Der Sportplatz liegt auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes und umfaßt etwa 20.000 Quadratmeter. Auf dem nördlichen Teile wird das 100 Meter lange und 68 Meter breite Hauptfeld, der Fußballplatz angelegt. Um diesen herum zieht sich die 350 Meter lange und 5 Meter breite Aschenlaufbahn, die mit überhöhten Kurven ausgebaut wird. Auf dem östlichen Streifen werden die verschiedenen Sprunggruben angelegt, während auf dem westlichen Streifen die Geräte für die Turner aufgestellt werden. Auf der südlichen Längsgeraden wird die Hundertmeterlaufbahn hergerichtet. Die ganze Anlage wird durch einen Holzbarriere eingefaßt. Auf dem südlichen Teil des Geländes wird das Hockeyfeld erbaut, das 94 Meter lang und 60 Meter breit, auch als Fußballplatz für die Jungmannschaften dienen soll. Auch dieses Feld wird von einer Holzbarriere eingefaßt wie beide Spielfelder mit festen Toranlagen versehen werden.

[…]

Die Erbauung der oben beschriebenen Sportplatzanlage erfordert einen Kostenaufwand von zirka 200.000 M. Der Sportklub Weimar e. V. gedenkt diese Summe durch Ausgabe von Platzanteilscheinen, die von 100 Mark-Anteilen an in jeder Höhe erworben werden können, aufzubringen. […]

In selbstloser, aufopfernder Weise haben der Vorstand und die verschiedenen Ausschüsse des Sportklub ihre Zeit und Arbeitskraft er Gestaltung und Verwirklichung dieses großzügigen Planes gewidmet. Wohlwollendes Entgegenkommen der Frau Kommerzienrat Schmidt und des Herrn Baumschulenbesitzers Gramm ermöglichten eine glückliche Lösung der Platzfrage; möge nun jeder Freund der Jugend und des Sportes durch Zeichnung von Anteilen dazu beitragen, daß dieses Projekt, das für Weimar von größter Bedeutung ist, möglichst bald zur Ausführung kommt. Tausende werden hier dann neue Kraft und Lebenslust im Spiel finden und es denen danken, die dabei tatgeheißen haben: Gesundheit, Willensstärke und Freude an der Natur werden eine Pflegestätte finden, und das gemeinsame Band treuer Kameradschaft wird auch diejenigen mit umschlingen, die als treue S. C. W’ler und Vorkämpfer der Sportbewegung ihr Leben auf dem Felde der Ehre lassen mußten; ein Gedenkstein auf dem neuen Sportplatze wird ihr Gedächtnis wachhalten und alle Sportgenossen zur Begeisterung anspornen.

Quelle:

Weimarische Landes-Zeitung vom 31.10.1920

 

Bild:

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Arbeitersportbewegung#/media/Datei:Karl_B%C3%BChren_Medizinball_1928.jpg