100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Mutterschutz nun auch für Beamtinnen

Die Weimarer Reichsverfassung brachte die rechtliche Gleichstellung für weibliche Beamte, die nun in allen Feldern der öffentlichen Verwaltung und Dienstleistungen tätig sein können. Dies bringt manche Neuerungen mit sich, wie dieser Artikel zeigt.

Die Stellung der weiblichen Beamten.

(Durchführung der Gleichberechtigung.)

Amtlich wird mitgeteilt: Die Reichsverfassung hat in Artikel 128, 2 alle Ausnahmebestimmungen gegen weibliche Beamte beseitigt. Daher können weibliche Beamte auch nach ihrer Verheiratung im Beamtenverhältnis bleiben. Da sich aus der Doppelstellung der Frau als Beamte und Ehefrau manche Konflikte entwickelt haben, hat das Reichsministerium Richtlinien über die rechtliche Stellung für verheiratete Beamtinnen aufgestellt, in denen u. a. folgende Bestimmungen enthalten sind:

Die Länder haben alle Gesetze usw., die gegen den genannten Artikel der Reichsverfassung verstoßen, alsbald aufzuheben. Dem Antrag der Beamtin auf Versetzung an den Wohnort des Ehemanns soll tunlichst nachgekommen, ihre Versetzung gegen ihren Willen möglichst vermieden werden. In eine zugewiesene Dienstwohnung darf die Beamtin ihren Ehemann und ihre Kinder aufnehmen. Wenn das Wohnen in den Diensträumen nicht aus sachlichen Gründen geboten ist, kann die Beamtin gegen Schadloshaltung auf Dienstwohnung verzichten.

Besondere Diensterleichterungen sollen den Beamtinnen im Falle der Niederkunft gewährt werden. Zwei Wochen vor und vier Wochen nach der Niederkunft sollen sie dienstlich nicht beschäftigt werden. Drei Wochen vor und sechs Wochen nach der Niederkunft sind sie vom Nachtdienst zu befreien. Durch Teilung der Arbeitszeit, Schaffung von Stillstuben soll ihnen die Möglichkeit gegeben werden, ihr Kind zu stillen. Für die Dauer von zehn Wochen der Dienstbefreiung aus Anlaß der Niederkunft soll die Beamtin das volle Diensteinkommen, für weitere sieben Wochen das halbe Diensteinkommen erhalten. Vertretungskosten werden der Beamtin nicht zur Last gelegt. Auch wird durch die Dienstbefreiung aus Anlaß der Niederkunft, wenn sie nicht acht Wochen übersteigt, der Anspruch auf jährlichen Erholungsurlaub nicht berührt.

Quelle:

Weimarische Landes-Zeitung vom 22.9.1920

 

Bild:

https://de.wikipedia.org/wiki/Weimarer_Verfassung#/media/Datei:Weimar_Constitution.jpg