100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Moderne in Eisenach


Im Rahmen des Projekts Moderne in der Provinz, haben sich verschiedene Schülerinnen und Schüler des Eisenacher Martin-Luther-Gymnasiums mit regnionalen Persönlichkeiten und Themen beschäftigt, die die Zwischenkriegszeit in der Wartburgstadt entscheidend prägten. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden in der Gedenkstätte Goldenen Löwen Eisenach zu sehen sein.

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Der Kapp-Lüttwitz-Putsch in Eisenach

Wolfgang Kapp (© gemeinfrei)

Bereits seit Ende des Ersten Weltkrieges gab es in der deutschen Zivilbevölkerung, besonders aber in der Armee, starken Widerstand gegen die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages. Das Missfallen des Heeres richtete sich dabei vor allem auf die Paragraphen, welche die geplante Demilitarisierung des ehemaligen Kaiserreichs festlegten. Im Rahmen dieser Abrüstung sollte die Reichswehr auf 100.000 Soldaten verkleinert werden. Zusätzlich sollten sämtliche Freikorps und paramilitärischen Freiwilligenverbände ebenfalls aufgelöst werden. Dem wollte sich der General Walther von Lüttwitz widersetzen. Am 12. März 1920 befahl er deshalb der Marine-Brigade Ehrhardt, nach Berlin zu marschieren und die Regierung zu stürzen. Am nächsten Tag floh diese erst nach Dresden, dann nach Stuttgart und von Lüttwitz ernannte den Rechtsextremen Wolfgang Kapp zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten.

Der Putsch löste im ganzen Land Unruhen aus. Auch Eisenach war davon betroffen. Hier kam es zu starken Spannungen zwischen dem bürgerlich-konservativen und dem Lager der Arbeiterparteien. Beide Seiten waren seit der Novemberrevolution bereits häufiger in Konflikt miteinander geraten. Am 14. März verkündeten Plakate der Reichswehr den Ausnahmezustand für die Stadt; und am Abend warfen Flugzeuge über Eisenach Flugblätter ab, die sagten, dass die Landesregierung von Sachsen-Weimar-Eisenach abgesetzt worden war. Tags darauf legte ein Generalstreik gegen den Putsch den gesamten Ort lahm und Arbeiter bewaffneten sich, um gegen den Staatsstreich zu kämpfen. Anschließend besetzten Kommandotrupps strategische Punkte der Stadt und schwärmten ins Umland aus, um rechte Bürgerwehren zu entwaffnen.

Gedenktafel für die Märzfgefallenen in Eisenach (© Foto privat)

In der Nacht zum 17. März nahmen Soldaten der Reichswehr eine Gruppe bewaffneter Arbeiter in einem Waldstück nahe Eisenach fest. Daraufhin wurde am 18. März ein patrouillierender Soldat von streikenden Arbeitern angegriffen und entwaffnet. Noch am selben Tag reagierte die Militärkommandantur mit einer Machtdemonstration und setzte einen bewaffneten Trupp bestehend aus Soldaten und Polizisten in Bewegung, welcher die entwendete Waffe sowie die Täter aufspüren sollte. Nachdem eine gesuchte Person ausfindig gemacht und verhaftet worden waren, kam es beim Abmarsch der Soldaten zu einem Aufruhr, bei dem auf heraneilende Arbeiter geschossen und mit andgranaten geworfen wurde. Dabei gab es viele Schwerverletzte, und fünf Eisenacher Bürger starben. Ihnen zu Ehren wurde in der Frankfurter Straße das Denkmal für die Märzgefallenen aufgestellt. Die Getöteten waren: August Gustav Schmidt, Friedrich August Voigt, Heinrich Adolf Niemeier, Emil August Volkert und Karl Emil Mengel.

Fahrzeugfabrik Eisenach

Werbeanzeige der Fahrzeugfabrik Eisenach, um 1918 (© privat)

1921 kam es aufgrund der Wirtschaftskrise zur Zusammenarbeit und schließlich zur Fusion der „Fahrzeugfabrik Eisenach AG“ mit der „Gothaer Waggonfabrik AG“. Der Name des Werkes wurde in „Fahrzeugfabrik Eisenach, Zweigniederlassung der Gothaer Waggonfabrik AG“ umgeändert. Und es änderte sich auch das Logo des bekannten Produktes: des Dixi. Die Kühler-Figur wurde abgelöst durch einen Zentauren. Er sollte den Neubeginn nach dem Krieg besonders betonen und entsprach dem damaligen Zeitgeist. Während dieser Zeit war der Dixi-Kleinwagen, der Dixi 3/15, das meist hergestellte und verkaufte Auto aus der Fabrik.

(© Bundesarchiv, Bild 102-02041, Foto: Georg Pahl)

Durch die Zusammenlegung der Werke erweiterte sich die Produktion: Fortan wurden auch LKWs, Busse, Anhänger, Motorspritzen, Motorpflüge und stationäre Motoren hergestellt. Der Schwerpunkt der Herstellung lag jedoch nach wie vor auf Personenkraftwagen. Besonders davon entstanden viele neue Modelle, welche der Fahrzeugfabrik weiter zu überregionalem Renommee verhalfen. Dazu zählte der Dixi Typ 6/18 PS, der mit einigen anderen Produktionsserien bereits 1919 vorgestellt worden war und von dem viele verschiedene Ausführungen hergestellt wurden: Es existierten beispielsweise eine Sport- und Rennvariante, welche bis zu 36 PS hatte – also doppelt so viele wie das Original. Noch bis 1923 wiesen Automobile der Eisenacher Werke große strukturelle Ähnlichkeiten zu ihm auf: Auch der ab diesem Jahr produzierte Dixi 13/39 PS sieht dem vier Jahre früher erschienenen Fahrzeug noch sehr ähnlich. Dies liegt daran, dass sich das Konzept des ,,Tourenwagens“, also eines offenen, länglichen Wagens, bei deutschen Herstellern viel länger hielt als bei ausländischen Konkurrenten – was möglicherweise eine Folge der begrenzten Mittel nach Ende des Ersten Weltkrieges war.

Auch im Motorsport gelang es der Fahrzeugfabrik, beträchtliche Erfolge zu erringen: 1922 gewann der Werksfahrer, Paul Gebser, die kleine Klasse des AVUS – Rennen in Berlin auf einem Dixi GI 6. Die Wettbewerbe, benannt nach und ausgeführt auf der Berliner Automobil-, Verkehrs- und Übungsstraße, waren dabei in der Inflationszeit nach dem Krieg ein seltenes Ereignis. Durch die Geldentwertung war der Motorsport kaum finanzierbar geworden. Dementsprechend war das Stattfinden eines solchen Rennens dann auch ein Highlight des Motorsports. Dass also ein Eisenacher hier siegte, macht die enorme Bedeutung der Fahrzeugfabrik Eisenach deutlich.

Der Zeitungsverleger Felix Kühner

Extra-Blatt der Eisenacher Tagespost aus dem Ersten Weltkrieg, 4. März 1918 (© privat)

Felix Kühner wurde am 20. Dezember 1890 in Eisenach geboren. Während seines Lebens erfuhr er mehrfach, welche Auswirkungen der Zusammenbruch eines Staates auch auf kommunaler Ebene hat. Als er am 28. August 1968 in seiner Heimatstadt starb, war er bereits eine stadtbekannte Persönlichkeit. Als Chefredakteur der „Eisenacher Tagespost“ und Inhaber der Druckerei „Philipp Kühner“ zog er die Aufmerksamkeit nahezu jedes Eisenachers auf sich. Wie die Eisenacher auch dachten, die linksliberale „Eisenacher Tagespost“ stellte eine allgegenwärtige Freizeitbeschäftigung und Informationsquelle für viele Menschen dar. So auch in den turbulenten Jahren der Weimarer Republik.

Kühner hat nicht nur das Ende des Ersten Weltkriegs, sondern auch die revolutionären Soldaten- und Arbeiterräte, den mehrfachen Ausbruch der Spanischen Grippe, die Einführung des Frauenwahlrechts, die ersten freien Wahlen, die Geburt der ersten deutschen Demokratie, die Besetzung der Stadt durch die Truppen unter der Führung Generalmajors Georg Maercker im Sommer des Jahres 1919 und den Kapp-Lüttwitz-Putsch im Jahr 1920 erlebt. Die „Eisenacher Tagespost“ überdauerte alle Krisenzeiten und existierte noch in der Diktatur des „Dritten Reiches“ weiter fort. Kühner war bis dahin selbst politisch aktiv und als Abgeordneter der liberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in den Stadtrat gewählt worden. In der Zeit nach der Novemberrevolution 1918/19 verzeichneten er und seine Partei noch große Erfolge. Im Laufe der Weimarer Republik verlor die DDP aber an Bedeutung. Nichtsdestotrotz hielten sich sozialistische und demokratische Anschauungen in Eisenach lange Zeit im Stadtrat; auch dank Felix Kühner.

Die Redaktionsstube, o. D. (© Foto privat)

Infolge der Krisenjahre am Ende der Weimarer Republik veränderte sich die politische Einstellung von Felix Kühner in eine zunehmend konservativere Richtung. Schließlich durchlebte auch er das Ende der Demokratie, die anschließende Diktatur und den grausamen Zweiten Weltkrieg. Als Major einer Artillerie-Batterie geriet er schließlich für fünf Jahre in russische Gefangenschaft. Nach Kriegsende lebte er weiter in Eisenach. Die »Eisenacher  Tagespost« war bereits seit März 1943 nicht mehr erschienen.

Frauenrechte in Deutschland

Plak 002-002-002 (© Bundesarchiv, Plak 002-002-002)

Der Kampf um die Frauenrechte in Deutschland begann nicht erst mit der Weimarer Republik; er dauerte bis dahin bereits Jahrzehnte an. Genauer gesagt, war er seit Mitte des 19. Jahrhunderts intensiv im Gang. In Eisenach gelangte dabei kurz nach der Jahrhundertwende die Frauenrechtlerin Isabella Sommer zu Bekanntheit.Die Musiklehrerin und Pianistin war ab 1914 als Vorsitzende der Musikgruppe Eisenach im Deutschen Musikpädagogischen Verband aktiv. Für den Kampf um die Rechte der Frauen engagierte sie sich bis 1919 als 1. Vorsitzende im Landesverein Sachsen-Weimar-Eisenach für das Frauenstimmrecht. In der Weimarer Republik
wurde sie u. a. als Politikerin für die Christliche Volkspartei (Zentrum) aktiv und in diesem Zusammenhang 1. Vorsitzende der Ortsgruppe des Katholischen Deutschen Frauenbundes sowie 2. Vorsitzende im Verband Eisenacher Frauenvereine. Ihr vielfacher Einsatz machte Isabella Sommer auch über die Stadtgrenzen hinaus prominent; in Eisenach galt sie als eine der einflussreichsten Persönlichkeiten ihrer Zeit.

Mit dem Ende des Kaiserreichs und des Ersten Weltkrieges durch die Novemberrevolution 1918 erhielten die Frauen in Deutschland das Recht, wählen zu gehen. Am 19. Januar 1919 beteiligten sie sich daraufhin millionenfach an der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung. Damals war die Wahlbeteiligung noch bedeutend höher als es heute der Fall ist – sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Sie lag bei 82,4 Prozent. Mit dem realisierten und durchgesetzten Frauenwahlrecht konnten Frauen nicht nur wählen; sie konnten auch gewählt werden. Damit nahmen sie endlich auch direkten Einfluss auf die Politik und besetzten selbst aktiv die Themen, die sie beschäftigten. Und am 19. Februar hielt mit der Sozialdemokratin Marie Juchacz endlich auch das erste Mal eine Frau eine Rede in einem deutschen Nationalparlament.

Eines im Wesentlichen der Arbeit weiblicher Abgeordneter zu verdankendes Gesetz war das 1922 erlassene, sogenannte Jugendwohlfahrtsgesetz. Dieses regelte die Jugendfürsorge und die Amtsvormundschaft für uneheliche Kinder. Ein weiteres durch die aktive Mithilfe der Frauen beschlossenes Recht war das Heimarbeiterinnengesetz. Diese waren schlecht gestellt und hatten noch weniger Rechte als die Arbeiterinnen in den Fabriken. Deshalb wurde 1924 das Heimarbeiterinnengesetz beschlossen, was diese mit einer Sozialversicherung ausstattete. Ein weiteres, sehr wichtiges Gesetz, das auch die Rechte der Frauen stärkte und 1927 beschlossen wurde, war das Mutterschutzgesetz. Dieses beinhaltete den Kündigungsschutz für Schwangere, sowie das Recht, Pausen zu nehmen, in denen Mütter ihre Kinder stillen konnten.

Kinostadt Eisenach

Anzeige für den Film „Die Prostitution“ in der Eisenacher Zeitung, 3. März 1919

„Roaring Twenties“ in den USA, „Années Folles“ in Frankreich und die „Goldenen Zwanziger“ in Deutschland – die 1920er Jahre waren weltweit eine Zeit des Aufschwungs nach langen Jahren der Entbehrung. In der neu gegründeten Weimarer Republik äußerte sich diese Entwicklung vor allem dadurch, dass neue Transportmittel immer häufiger wurden. In den Großstädten gab es immer mehr Automobile und auch Straßenbahnen zählten längst zum Stadtbild. Ferner traten neue Medien ihren Siegeszug an. Der Rundfunk wurde geboren und die Filmtechnik machte riesige Sprünge nach vorn.

Bei all diesen Entwicklungen gibt es jedoch große Unterschiede zwischen Großstädten und ländlichen Regionen. Genau deswegen ist es auch überraschend, dass die neuartigen Medien in Eisenach eine bemerkenswerte Präsenz hatten: Im Zeitraum von 1919 bis 1923 existierten insgesamt sechs Kinos, die spielberechtigt waren und den Eisenacher Bürgern die Möglichkeit gaben, eine große Auswahl an Filmen zu genießen, um sich vom Alltag abzulenken. Zu den Filmpalästen zählten das Welttheater, das Salon-Cinephon Theater, das Bioscop- sowie das Elite-Bioskop Theater, der Lichtspielpalast und das Haus Kammer-Lichtspiele. Eine für die Kinolandschaft der Stadt prägende Persönlichkeit war der Eisenacher Unternehmer Hermann Bräutigam, welcher frühzeitig in die damals noch als Lichtspieltheater bezeichneten Kinos investierte und ab 1911 alle Filmtheater mit Ausnahme des Bioscop-Theaters besaß. Diese Monopolstellung nutzte er unter anderem aus, um 1913 den Lichtspielpalast in der Georgenstraße 5 zu errichten sowie um die Firma ,,Vereinigte Eisenacher Lichtspieltheater“ (VELTH) zu gründen.

Anzeige für den Film „Das Buch Esther“ in der Eisenacher Zeitung, 20. Juni 1919

Beispiele für Filme dieser Zeit sind durch die Werbeplakate dargestellt: Die Anzeige ,,Die Prostitution“ aus einer Ausgabe der Eisenacher Zeitung vom 3. März 1919 bewirbt den gleichnamigen, zweiteiligen Stummfilm aus dem Jahr 1919, der in episodenhafter Form das Schicksal von jungen Mädchen zeigt, die durch den sozialen Abstieg in das Milieu geführt werden. Dabei wird die Prostitution als Institution verurteilt, die zum moralischen Verfall führt. Diese Wertung lässt sich bereits anhand der etwas reißerischen Darstellung der Frau in der Anzeige mit Schlangen anstelle von Haaren erahnen. Im Gegensatz dazu gibt es allerdings auch weniger kontroverse Filme, zu denen auch der Film ,,Das Buch Esther“ zählt. Der Film erzählt die biblische Geschichte der Esther mit künstlerischen Abweichungen nach.