100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Moderne in Gotha


Im Rahmen des Projekts Moderne in der Provinz, haben sich verschiedene zivigessellschaftliche Vereinigungen aus Gotha mit Persönlichkeiten der Region beschäftigt, die die Zwischenkriegszeit in der ehemaligen Residenzstadt entscheidend prägten. Die Ergebnisse dieser Arbeit wurden anschließend im Gothaer Tivoli ausgestellt.

In Zusammenarbeit zwischen

        

 



Gefördert durch

Wilhelm Bock -
in Gotha von 1869 bis 1931

Der SPD-Reichs- und Landtagsabgeordnete Wilhelm Bock (© Gedenkstätte Gothae Tivoli)

Der spätere SPD-Land- und Reichstagsabgeordnete wurde 1846 in Großbreitenbach bei Ilmenau in ärmsten Verhältnissen geboren. Nach einer Schuhmacherlehre in Arnstadt kam er auf der Wanderschaft bis Hamburg, wo er 1867 dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein beitrat.

In Gotha baute er ab 1869 die Arbeiterbewegung auf und war seit 1872 Leiter der Sozialdemokratie im Gothaer Land. Am 22. Mai 1875 eröffnete Bock den Vereinigungsparteitag der Lassalleaner und Eisenacher im späteren Gothaer Tivoli. Von 1884 bis 1928 war er mit wenigen Unterbrechungen SPD-Reichstagsabgeordneter und von 1892 bis 1921 Abgeordneter des Gothaischen Landtages. Er organisierte den Gründungskongress der USPD, der am 6. und 7. April 1917 in Gotha stattfand. Am 9. November 1918 rief Bock die Republik Gotha aus und erklärte Herzog Carl Eduard von SachsenCoburg und Gotha für abgesetzt. Er war kurzzeitig Volksbeauftragter des Freistaates Gotha und wurde 1919 zum Mitglied der Nationalversammlung gewählt. 1922 führte er den rechten Flügel der USPD in die SPD zurück. 1924, 1925 und 1928 war er Alterspräsident des Reichstages.

Aufruf zur Volksversammlung im »General-Anzeiger für das Herzogtum Gotha« vom 9. November 1918

1927 veröffentlichte Wilhelm Bock seine Lebenserinnerungen unter dem Titel »Im Dienste der Freiheit«. 85-jährig verstarb er 1931 während eines Kuraufenthaltes in Bad Sulzbach. Auf seinem Grabstein steht die Inschrift »Ein Sohn des Volkes«.

Marianne Brandt -
in Gotha von 1929 bis 1932

Die Bauhauskünstlerin Marianne Brandt (© Bauhaus-Archiv Berlin)

Die 1893 in Chemnitz geborene Rechtsanwaltstochter Marianne Liebe wurde von ihren Eltern musisch gefördert. Ab Herbst 1911 besuchte sie die Freie Zeichenschule von Professor Flitzer in Weimar und anschließend bis Juni 1913 die Gyps- und Naturschule bei Professor Mackensen. Außerdem studierte sie bis 1918 Malerei an der Großherzoglich-Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst in Weimar.

Von 1919 bis 1935 war sie mit dem nor wegischen Maler Erik Brandt verheiratet. Nach Auslandsaufenthalten studierte Marianne Brandt von Januar 1924 bis Juli 1926 am Bauhaus Weimar und Dessau Werk- und Materiallehre bei Josef Albers und László Moholy-Nagy sowie künstlerische Gestaltung bei Wassily Kandinsky und Paul Klee. Sie gestaltete unter anderem die bis heute bekannten Tee-Extraktkännchen. Ab April 1927 arbeitete Brandt in der Metallwerkstatt des Bauhauses, deren kommissarische Leitung sie vom April 1928 bis Juli 1929 innehatte.

Replik eines von Marianne Brandt 1931 entworfenen Serviettenständers (© Sammlung Matthias Wenzel)

Vom Dezember 1929 bis Ende 1932 war sie die Leiterin der Entwurfsabteilung der Abteilung Kunstgewerbe der Metallwarenfabrik Ruppelwerk Gotha GmbH. In dieser Zeit erneuerte Brandt das gesamte Programm. Von 1933 bis 1949 war sie arbeitslos und beschäftigte sich mit Malerei. Von März 1949 bis Juli 1951 hatte sie eine Dozentur für Holz, Metall und Keramik an der Dresdener Hochschule für Werkkunst inne. Von Juli 1951 bis September 1954 arbeitete sie am Institut für industrielle Gestaltung der Kunsthochschule Berlin-Weißensee mit. Im September 1954 kehrte Marianne Brandt nach Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) zurück, wo sie sich mit Malerei und Plastik beschäftigte. 1977 siedelte sie nach kurzem Krankenhausaufenthalt in ein Pflegeheim nach Kirchberg bei Zwickau über, wo sie 1983 starb.

Leo Gutmann -
in Gotha von 1901 bis 1933

Der Rechtsanwalt und DDPPolitiker Dr. Leo Gutmann (© Foto privat)

Der 1875 in Coburg geborene Sohn eines jüdischen Stoffhändlers legte das Abitur in Gotha ab und studierte anschließend in München, Berlin und Jena die Rechte und Nationalökonomie. 1897 absolvierte Gutmann die erste juristische Prüfung ab. Seine Referendarzeit verbrachte er am Amtsgericht Coburg, am Landgericht Gotha, bei der Staatsanwaltschaft Coburg, beim Rechtsanwalt Dr. Heinrich Kunreuther in Gotha und am Oberlandesgericht Jena. Anschließend war er als Assessor (Amtsanwalt und Hilfsrichter) in Waltershausen tätig. 1901 legte Gutmann die zweite juristische Prüfung ab und wurde zum Rechtsanwalt ernannt. Noch im selben Jahr eröffnete er eine Anwaltspraxis in Gotha.

Von 1908 bis 1924 arbeitete er mit dem ebenfalls jüdischen Rechtsanwalt und späteren Landgerichtsdirektor (bis 1933) Dr. Alfred Wachtel (im KZ Auschwitz verschollen) als Kompagnon zusammen. Politisch engagierte er sich in der Deutschen Demokratischen Partei und war Freimaurer. 1920 kandidierte Gutmann für die Gothaer Landesversammlung. 1929 wurde er zum Beisitzer im Vorstand der Ortsgruppe des Central-Vereins Deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gewählt. Infolge der »Machtergreifung« 1933 wurde er von den Nationalsozialisten »scharf angegriffen und auf allerlei Verbrechen beschuldigt«.

Überschrift des Hetzartikels im »Gothaer Beobachter« vom 30. September 1933 (© Foto: Sammlung Matthias Wenzel)

Im August 1933 wurde er gezwungen, sich von der Anwaltsliste streichen zu lassen. Die neuen Machthaber »widmeten« ihm am 30. September 1933 im »Gothaer Beobachter« als »Abschiedsgruß« einen mehr als einseitigen Hetzartikel unter der Überschrift »Der Riesen-Juden-Skandal!«, welcher voll von unwahren Anschuldigungen war. Dr. Gutmann zog zunächst nach Düsseldorf, folgte 1937 seinen Söhnen Theo und Karl, die später beide im April 1945 als US-amerikanische Offiziere kurzzeitig nach Gotha zurückgekehrt waren, in die USA und starb 1951 in Los Angeles.

Otto Kibat -
in Gotha von 1919 bis 1923
und 1927 bis 1956

Umschlag der Originalausgabe von Djin Ping Meh, 1928 Forschungsbibliothek Gotha (© Forschungsbibliothek Gotha)

Otto Kibat wurde 1880 in Lyck geboren. Er legte 1902 sein Referendarexamen ab und leistete 1905 seinen Militärdienst in der deutschen Ostasien-Kolonie beim 3. Seebataillon Tsingtau ab. Er schied aus dem juristischen Vorbereitungsdienst aus und studierte die chinesische Sprache und Schrift. Anschließend arbeitete er für Überseehandelsunternehmen. 1919 wurde Kibat wie alle Deutschen, die in China lebten, ausgewiesen. Er beendete seine juristische Ausbildung in Jena und ließ sich als Anwalt in Gotha nieder.

1923 verließ er die Stadt, weil er seinen Lebensunterhalt nicht mehr absichern konnte. Kibat war bis 1927 erneut in China tätig, um sich danach für immer in Gotha als Anwalt niederzulassen. 1928 bis 1932 erschien der chinesische Sittenroman »Djin Ping Meh« oder »Die abenteuerliche Geschichte von Hsi Meh und seinen 6 Frauen« in zwei Bänden. Der Roman gehört zu den »Vier großen Meisterwerken« der chinesischen Literatur. Er handelt vom Leben des reichen Apothekers und Seidenhändlers Xīmén Qìng, seinen zahlreichen Frauen und Affären. Der Autor, der unbekannt ist, prangert den moralischen Verfall in der Song-Dynastie im 12. Jahrhundert an. Die Übersetzung hatten Otto Kibat und sein Bruder Arthur verfasst. Diese Arbeit gilt bis heute als mustergültig. Das Buch wurde in der NS-Zeit verboten und gehörte zu jenen Exemplaren, die der Bücherverbrennung zum Opfer fielen.

Titel der Originalausgabe von Djin Ping Meh, 1928 Forschungsbibliothek Gotha (© Forschungsbilbiothek Gotha)

Von 1933 bis 1945 galt Otto Kibat als »nicht zuverlässig«, was seine möglichen Tätigkeitsbereiche einschränkte. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges begründete er im April 1945 das antifaschistische Komitee in Gotha. Im August 1945 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei (KPD). Otto Kibat starb 1956.

Wenige Jahre zuvor erinnerte er sich wie folgt an das »Dritte Reich« zurück: »Mein 18jähriger Aufenthalt in China bewahrte mich vor dem engstirnigem Nationalsozialismus. 1929 trug mir der damalige Direktor der Stadtsparbank Gotha Bonsack den Beitritt in die Nazipartei an: ›Ich würde alle Rechtssachen der Bank und der Partei übertragen erhalten.‹ Ich lehnte den Beitritt wegen der antisemitischen Haltung der Partei ab. Im Kampf gegen die Deutsche Christenbewegung wurde ich 1938 Mitbegründer der altlutherischen Kirchengemeinde in Gotha, deren Kirchenvorstand ich angehöre. An Hitlers Wahlen oder Abstimmungen beteiligte ich mich nicht – ich verreiste zu solchen Zeiten – oder ich stimmte ablehnend.« (Otto Kibat nach 1945)

Eva Knapp -
in Gotha von 1924 bis 1930

Auf dem Gothaer Hauptfriedhof steht der Grabstein eines kleinen Mädchens. Sie wurde nur sieben Jahre alt: Eva-Maria wurde am 24. Juni 1923 als Tochter von Martha und Wilhelm Knapp in Oldenburg geboren. Ihre Eltern zogen 1924 nach Gotha. Martha Knapp wurde Stadtverordnete für die KPD im Gothaer Stadtrat, Wilhelm Knapp zunächst Redakteur des Gothaer Volksblattes.

Die Deutsche Delegation beim Allrussischen Frauenkongress 1927 in Moskau. Sechste von links: Martha Knapp (© Privatbesitz Werner Knapp, Berlin)

Die Familie war arm und litt unter den wirtschaftlichen Krisen der Weimarer Zeit. Am 31. Juli 1930 starb Eva an Diphtherie, welche sich durch die schlechte Ernährungssituation zuvor verschlimmert hatte. Ihr Vater war zu dieser Zeit erwerbslos. Der Arzt erkannte die Schwere der Krankheit zu spät und verpasste den Augenblick, wirksame Medizin zu verschreiben. Für ihre Eltern war dies ein schwerer Schicksalsschlag. Vielleicht hätte der Tod von Eva vermieden werden können. Dies verfolgte die Familie zeitlebens.

Auf dem Grabstein stand zunächst mit Genehmigung der Behörden, dass »Eva ein Jungpionier war« und »an einer proletarischen Kinderkrankheit« gestorben wäre. Martha und Wilhelm Knapp gaben dem wirtschaftlichen System die Schuld am Tod ihrer Tochter. Die politische Äußerung erregte Widerstand in den Fraktionen der bürgerlichen Parteien, sowie der NSDAP in der Stadtverordnetenversammlung. Auf Veranlassung derselben wurde die Inschrift durch die Polizei entfernt. Das Grab wurde in der NS-Zeit geschändet und der Grabstein entfernt.

Nach 1945 fand man den Stein wieder und setzte ihn neu. Heute ist das Grab auf dem Gothaer Hauptfriedhof noch erhalten. Eva Knapps Schicksal steht stellvertretend für die wirtschaftliche Not und deren Folgen für ärmere Familien in der Weimarer Republik.

Herman Anders Krüger -
in Gotha von 1921 bis 1925

Herman Anders Krüger (© Krügerverein Neudietendorf)

Der 1871 in Dorpat (Tartu, Estland) geborene Sohn des damaligen Leiters des Herrnhuter Sozietäts- und Diasporawerks in den Ostseeprovinzen besuchte die Lateinschule in Gnadenfrei, das Progymnasium in Niesky und das theologische Seminar in Gnadenfeld/ Schlesien.

Krüger wurde jedoch nicht Prediger, sondern zunächst Lehrer in Königsfeld im Schwarzwald. Von 1894 bis 1898 studierte er in Leipzig Geschichte, Nationalökonomie, Germanistik und Geographie. Danach war er bis 1905 als Lehrer und Bibliothekar in Dresden tätig. Nebenbei schrieb Krüger Erzählungen, Romane, Dramen, Gedichte, aber auch literaturhistorische Arbeiten. Nachdem er seit 1905 als Privatdozent und seit 1909 als Professor für deutsche Literaturgeschichte an der Technischen Hochschule Hannover tätig gewesen war, widmete er sich ab 1913 in Neudietendorf ganz seinen schriftstellerischen und politischen Ambitionen.

Die 1914/15 erbaute Krüger-Villa in Neudietendorf (© Matthias Wenzel)

Er nahm am gesamten Ersten Weltkrieg teil und wurde Ende 1918 Mitglied des Gothaer Volksausschusses. 1919 war er demokratischer Abgeordneter der Weimarer Nationalversammlung und ab 1920 als Staatsrat Mitglied der thüringischen Landesregierung. Von 1921 bis 1925 leitete Krüger die Gothaer und seit 1928 die Altenburger Landesbibliothek. Seinen Lebensabend verbrachte er ab 1934 in Neudietendorf, wo er 1945 starb.

Hilde Mangold -
in Gotha von 1898 bis 1918

Hilde Mangold (© Foro privat)

Eine verdienstvolle Gothaerin war die Biologin und Embryologin Hilde Mangold (geborene Pröscholdt). Sie wurde 1898 in Gotha als Tochter von Gertrud (geborene Blödner) und Ernst Pröscholdt geboren.

Hilde besuchte das Gymnasium Ernestinum und machte hier ihr Abitur. Nach ihrem Chemie- und Zoologiestudium in Jena und Frankfurt führte sie im Rahmen ihrer Promotion wichtige und komplizierte Experimente für Hans Spemann vom Zoologischen Institut in Freiburg durch. Hier arbeitete auch der Zoologe Otto Mangold, den sie 1921 heiratete.

Geburtshaus von Hilde Mangold am Hauptmarkt 33 in Gotha (© Foto privat)

Die Forschungsgruppe um Spemann experimentierte mit Embryonen. Hilde Mangold und Hans Spemann entdeckten 1922 den Spemann-Organisator, das zelluläre Organisationszentrum für die Achsenbildung während der Frühentwicklung (Vertebraten-Entwicklung). Sie promovierte 1923 über »Die Induktion von Embryonalanlagen durch die Implantation artfremder Organisatoren«. 1924 veröffentlichte sie mit Spemann ihre Entdeckung. Hilde Mangold starb im selben Jahr bei einem Brand. Spemann bekam für seine Forschungen, an denen seine Frau maßgeblichen Anteil hatte, 1935 den Nobelpreis.

Die amerikanische Gesellschaft für Entwicklungsbiologie richtete ein Hilde Mangold Symposium ein, das bei der jährlichen Tagung Arbeiten von Entwicklungsbiologen ehrt. Das Grab von Hilde Mangold befindet sich auf dem Hauptfriedhof in Gotha.

Fritz Noack (später Noach Perez) -
in Gotha von 1919 bis 1933

Das 1944 durch eine Luftmine zerstörte Wohnhaus von Dr. Fritz Noack in der FriedrichJacobs-Straße 2 (© Sammlung Jürgen Hißner)

Der 1890 in Landsberg (Warthe) geborene Sohn eines Kaufmanns und angesehenen Mitglieds des Stadtrates wuchs in einem emanzipierten jüdischen Elternhaus auf. Die jüdische Tradition wurde zwar in Kult und Sitten gepflegt, doch im Bewusstsein fühlte sich die Familie assimiliert und deutsch.

Bis 1913 studierte Noack Medizin in Halle und Berlin, wo er zunächst als Arzt tätig war. Als junger Mediziner im Offiziersrang nahm er am gesamten Ersten Weltkrieg teil. Er diente zunächst in Flandern, dann in der Türkei. Durch den mehrfachen Besuch des jüdischen Ghettos von Adana erwachte sein religiöses Bewusstsein, welches ihn im Laufe der Jahre zum überzeugten Zionisten werden ließ.

Das von der Zionistischen Ortsgruppe Gotha 1920 herausgegebene »Jüdische Liederbuch« (© Sammlung Judy Slivi)

Nach Kriegsende bewarb sich Noack 1919 um das Amt des Kreisarztes in Gotha. Er suchte die Verbindung zur zionistischen Bewegung in Deutschland und wurde Delegierter des Jung-Jüdischer Wanderbund (J.J.W.B.). Seine Wohnung wurde zum Zentrum der zionistischen Jugendbewegung im Raum Gotha. Er war ferner Mitglied der SPD und hielt Lehrkurse für die Mitglieder des Arbeiter-Samariter-Bundes (politisch und konfessionell ungebundene Wohlfahrts- und Hilfsorganisation) in Gotha ab.

1926/27 nahm Noack Urlaub, um die Lebensbedingungen in Palästina kennenzulernen. Bereits im März 1933 emigrierte er mit seiner Familie nach Palästina, wo er 1935 aufgefordert wurde, die medizinische Verantwortung für die jüdische Bevölkerung des Landes zu übernehmen. Den Posten als Chefarzt bei der Jugend-Alijah hatte er bis 1948 inne. Nach der Gründung des Staates Israel übersiedelte er nach Haifa und übernahm die Verantwortung für das Gesundheitswesen im Norden des Landes. Bis zu seiner 1958 erfolgten Pensionierung rief er auch die »Organisation der Ärzte Israels« ins Leben und war Vertreter Israels bei der WHO. Er starb 1968 in Haifa.

Curt Strickrodt -
in Gotha von 1918 bis 1924
und 1931 bis 1933

Curt Strickrodt (© Foto privat)

Das Landestheater Gotha bot in der Weimarer Zeit ein abwechslungsreiches Programm für jeden Geschmack, bediente dabei bürgerlich-konservative Besucher wie Anhänger moderner Richtungen. Nach der Novemberrevolution 1918 wurde das Landestheater von Intendant Dr. Curt Strickrodt wieder aufgebaut. Er legte Wert darauf, die Volksvorstellungen zu erweitern und einige Klassiker-Aufführungen für billigere Eintrittsgelder anzubieten. Monatlich gab es ein Volkskonzert. Er holte auch ausländische, noch lebende Komponisten wieder auf der Bühne (dies war im Ersten Weltkrieg untersagt). Strickrodt verließ Gotha 1924. Anfang der 1930er Jahre kehrte er nach Gotha zurück.

Ab der Spielzeit 1931/1932 wurde Intendant Curt Strickrodt vermehrt vom Gothaer Theaterbeirat darauf hingewiesen, dass er »grundsätzlich kein ausländisches und kein rassefremdes Personal beschäftigen soll«, was nicht nur Personen jüdischen Glaubens betraf. Dabei wurde Strickrodt von Oberbürgermeister Dr. Schmidt nahegelegt, sich »vor jeder Bindung gegenüber dem Personal zu hüten, das abgelehnt wurde«.

Innenansicht des Landestheaters Gotha (© Fotosammlung Hißner)

Dennoch setzte er sich im Juli 1932 für die Weiterbeschäftigung dieser Künstler ein. Stickrodt argumentierte, dass er laut Vertragsbestimmung deutsche und österreichische Künstler beschäftigen dürfe, nur im Ausland geborene Künstlern sei ein Engagement versagt. Mit keinem Wort sei ein Ausschluss von jüdischen Künstlern im Vertrag erwähnt. Die Entlassung jüdischer Angestellter würde bei der jüdischen Bevölkerung Gothas, die stets am meisten das Landestheater unterstützt hätten, Befremden hervorrufen. Dennoch musste Strickrodt den Beschäftigten nahelegen, sich andere Engagements zu suchen, da absehbar war, dass der Theaterbeirat auf die Entlassung drängen würde.

1933 verließ Curt Strickrodt Gotha und wurde Intendant in Bad Oeynhausen, danach kurz Direktor der Komischen Oper in Berlin. Er starb 1941 in Berlin.

Das Künstlerehepaar Vetter –
in Gotha von 1912 / 1917 bis 1967 / 1954

Erna Vetter (© Foto privat)

In Gotha entstand 1922 die Künstlervereinigung »Die Garbe«, die bis 1945 existierte. Die Leitung lag in den Händen des Zeichenlehrers Franz Vetter. »Die Garbe« bestand aus zwölf Malern und Grafikern, einem Bildhauer, einer Weberin und einem Goldschmied. Die Ziele der Künstlervereinigung waren gemeinsames Arbeiten, künstlerischer Erfahrungsaustausch, die Organisation von Ausstellungen und die Unterstützung bedürftiger, junger Talente.

Franz Vetter wurde 1886 in Halle/Saale geboren. Ab 1912 war er als Lehrer an der Herzoglichen Baugewerbeschule und Handwerkerschule Gotha, später an der Herzog-Ernst-Schule tätig. Franz Vetter war Mitglied des Städtischen Kulturbeirates Gotha. Ihm oblag die Betreuung von Kunstausstellungen. Er malte vor allem Landschaften.

Franz Vetter (© Selbstportrait)

Zur »Garbe« gehörte auch seine Frau und Malerin Erna Vetter (geborene Fahr). Erna Vetter wurde in Wittenberg geboren, lernte bei den Malern Karl Jolas und Heinrich Kopp in Halle/Saale und studierte an der Kunstschule in Berlin (Abschluss 1913 als Zeichenlehrerin). Von 1913 bis 1916 unterrichtete sie Zeichnen am Oberlyzeum in Stargard/Pommern. Aufgrund ihrer Heirat mit dem Maler Franz Vetter kam sie 1917 nach Gotha.

Franz und Erna Vetter betreuten private Zeichenklassen. Sie unternahmen in den 1920er- und 1930erJahren Studienreisen etwa nach Italien, in die Schweiz, nach Österreich und Jugoslawien.