100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Moderne in Sondershausen

Im Rahmen des Projekts Moderne in der Provinz, hat der Weimarer Republik e.V. die Geschichte des demokratischen Neubeginns in Schwarzburg-Sondershausen im Zuge der Novemberrevolution untersucht und aus den gewonnen Erkentnissen eine Ausstellung ertsellt. Das Projekt wurde aus Mitteln der Sparkassen-Kulturstiftung realisiert.

Ein Projekt von

 

 

Gefördert durch

Vollblutpolitiker -
Harald Bielfeld

Bürgermeister Harald Bielfeld 1906 (© Schlossmuseum Arnstadt)

Harald Bielfeld hat sich große politische Verdienste im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen und dem späteren Freistaat erworben. Er wurde am 14. Juni 1863 geboren und ging in Potsdam zur Schule. Im Anschluss studierte er in Kiel, Berlin und Leipzig Geschichte, Volkswirtschaft und Rechtswissenschaften und promovierte sich 1887 mit einer Arbeit über das magdeburgische Steuerwesen. Es folgte die erste juristische Staatsprüfung, dann der Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger und im Anschluss der juristische Vorbereitungsdienst in Schleswig und Kiel. 1893 bestand Bielfeld auch die zweite juristische Staatsprüfung und arbeitete darauf als Magistratsassesor in Schleswig. Hier heiratete er auch ein Jahr später seine Frau Elsbeth.
Oberbürgermeister von Arnstadt wurde Harald Bielefeld Anfang Januar 1894. Er sollte in dieser Position bis 1928 die Stadt zu wirtschaftlicher, kultureller, sozialer und baulicher Blüte führen. Seit Mitte Juni 1905 saß er im Landtag des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen, wo er zwischen 1907 und 1911 als als ständiger Rechtsbeistand, tätig war. 1913 wurde er zum Geheimen Regierungsrat ernannt.

Die Landesregierung von Thüringen 1920/21 mit Harald Bielfeld (sitzend, 3. v.l.) (© Stadtmuseum Weimar)

Im Übergang von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Demokratie wirkte Bielfeld aktiv an der politischen Umgestaltung mit. Er war Vorsitzender des Landesrates des neu entstandenen Freistaats Schwarzburg-Sondershausen und blieb auch im Landtag nach den ersten Wahlen am 26. Januar 1919 aktiv.
Die Gründung des Landes Thüringen hat er in diesen Funktionen maßgeblich begleitet. Seine politische Heimat fand er ab 1919 bis zu seinem Tod in der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Am 15. September 1933 verstarb Harald Bielfeld 70-jährig in Arnstadt und wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung dort beigesetzt.

Landesmutter a.D. -
Anna Luise von Schwarzburg-Rudolstadt

Fürstin Anna Luise und Fürst Günther Victor am Tag der Abdankung (© Landesarchiv Thüringen - Staatsarchiv Rudolstadt)

Historische Umbrüche prägten das Leben der letzten Fürstin von Schwarzburg-Rudolstadt. Als Tochter des Prinzen Georg von Schönburg-Waldenburg und dessen Frau Prinzessin Luise erblickte das jüngste der drei Kinder des Prinzenpaares am 19. Februar 1871 auf Schloss Hermsdorf bei Dresden das Licht der Welt. Schon seit frühester Kindheit begeisterte sich Anna Luise für Kunst und Musik. Am 9. Dezember 1891 heiratete sie auf Schloss Heidecksburg in Rudolstadt den 19 Jahre älteren Günther Victor von Schwarzburg-Rudolstadt. Die Ehe sollte glücklich werden, doch 1892 führte eine tragische Fehlgeburt dazu, dass das Fürstenpaar kinderlos blieb und damit auch kein Thronfolger die dynastische Erbfolge antreten konnte.

Fürstin Anna Luise von Schwarzburg-Rudolstadt (vorn links) 1911 (© Regionalmuseum Bad Frankenhausen))

Öffentliche Auftritte prägten ihr Leben. Da ihr Mann die Öffentlichkeit weitestgehend mied, wurde Anna Luise von vielen Einwohnern ihres Fürstentums als »Landesmutter« wahrgenommen. Sie engagierte sich in der Wohlfahrt und war bei wichtigen Ereignissen – etwa der Einweihung des Kyffhäuserdenkmals 1896 – vor Ort. Zu ihren professionell betriebenen Hobbys zählte das Fotografieren. Auch Kunst und Kultur spielten eine wichtige Rolle, was zahlreiche freundschaftliche Kontakte verdeutlichen. Der Begründer der Weimarer Kunstgewerbeschule, Henry van de Velde, war ein gern gesehener Gast wie auch Elisabeth Förster-Nietzsche, die Schwester des bekannten Philosophen. Abdankung und Tod des Fürsten im November 1918 bzw. 1925 führten zu Trauer und einer Neufindung ihrer Interessen. Sie reiste viel und führte die gegen das Land Thüringen begonnenen Prozesse hinsichtlich der Entschädigungszahlungen zu einem für sie glücklichen Ende. Die »Machtergreifung« der Nationalsozialisten 1933 begrüßte Anna Luise ausdrücklich. Später wird sie sich von den Nationalsozialisten distanzieren. Diese zwangen sie im Sommer 1940, Schloss Schwarzburg zu verlassen. Hier sollte ein Reichsgästehaus entstehen.
Nach Sondershausen zog die frühere Fürstin, erlebte hier die Bombardierung der Stadt und das Kriegsende. Im Anschluss wurde ihr Besitz entschädigungslos enteignet, Anna Luise lebte in bescheidenen Verhältnissen und war sozial aktiv. Am 7. November 1951 starb sie in Sondershausen und wurde anschließend an der Seite ihres Mannes in Rudolstadt beigesetzt.

Der letzte Bundesfürst -
Günther Victor von Schwarzburg-Rudolstadt

Fürst Günther Viktor von Schwarzburg (© Regionalmuseum Bad Frankenhausen)

Demonstrationen finden am 9. November 1918 in vielen Deutschlands statt. In Berlin wird die Republik ausgerufen, Kaiser Wilhelm II. zur Abdankung gedrängt. Doch Günther Victor von Schwarzburg-Rudolstadt geht lieber seiner Jagdleidenschaft nach und schießt einen stattlichen 16-Ender. Er war der letzte deutsche Bundesfürst, der infolge der Revolution 1918/19 seinen Rücktritt erklärte.
Geboren am 21. August 1852 als Sohn des Prinzen Adolph von Schwarzburg- Rudolstadt und dessen Frau Prinzessin Mathilde. Der Fürst besuchte ab 1868 das Vitzthumsche Gymnasium in Dresden und damit eine öffentliche Schule. Seine Eltern erhofften sich, dass der wortkarge, ruhige und eher zurückgezogene Junge dadurch etwas mehr »Lebendigkeit« gewinnt. Als der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 ausbrach, meldet er sich freiwillig und wurde bald zum Offizier befördert. Anschließend folgte ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Leipzig. Doch ab 1874 wird Günther wieder aktiver Offizier und blieb es bis zum Januar 1890. Die Regierungsgeschäfte des Fürstentums übernahm er mit dem Tod seines Vetters Georg von Schwarzburg-Rudolstadt. Für ihn war dieses Amt aber eher eine Last. Er mied öffentliche Auftritte und Ansprachen. Ende 1891 heiratete Günther seine Cousine Anna Luise von Schönburg-Waldenburg. Die Ehe wird glücklich, aber kinderlos bleiben.

»Günther mit dem von ihm am 9. November auf Sonnenwalde erlegten 16-Ender« (© Foto: Fürstin Anna Luise von Schwarzburg; Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Rudolstadt)

Als 1909 auch Fürst Karl Günther von Schwarzburg-Sondershausen ohne Nachkommen stirbt, ging diese Linie in Personalunion auf Günther über. Bei Beginn des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 wäre Günther gern mit seinen Truppen ins Feld gezogen. Während der Revolution von 1918/19 zwangen keine radikalen Kräfte den Fürsten zum Verzicht auf den Thron, da die Aufhebung der Regentschaft auf parlamentarischem Weg vollbracht wurde. Die Abdankung erfolgte am 23. November 1918 mit folgenden Worten: »Nachdem Seine Majestät der Deutsche Kaiser die Regierung niedergelegt hat (…), haben Wir Uns entschlossen, die Regierung im Fürstentum Schwarzburg- Rudolstadt niederzulegen und für Uns und Unser Fürstliches Haus auf die Krone zu verzichten.« Das Fürstenpaar behielt Schloss Schwarzburg und bekam eine Jahresrente. Am 16. April 1925 starb der letzte Bundesfürst in seiner Winterresidenz Sondershausen im Alter von 72 Jahren an Herzschwäche.

Souveränes Volk -
Freistaat Schwarzburg-Sondershausen

Blick über die Stadt zum Schloss, o. D. (© Ansichtskarte)

Ruhig und geordnet verlief der Übergang zur parlamentarischen Demokratie in Schwarzburg- Sondershausen – und damit anders als in zahlreichen Regionen Deutschlands. Anfang November 1918 beschloss der Sondershäuser Landtag einen Landesrat ins Leben zu rufen. Zugleich wurde ein Gesetz vorbereitet, das die Übertagung der landesherrlichen Rechte auf den Landesrat vorsah.
Mit der Abdankung Fürst Günther Viktors von Schwarzburg-Rudolstadt am 25. November wurde dieses Gesetz beschlossen. Die Vollzugsgewalt ging damit auf den Landesrat und das Ministerium über. Zudem wurde an jenem Tag ebenso betont, dass im Freistaat Schwarzburg-Sondershausen die Macht vom Volke ausgehen soll und dass das neue Staatsgebilde ein »sozialer Volksstaat« sein wird. Fürst Günther Victor von Schwarzburg wurde zügig finanziell abgefunden. Das gesamte Kammergut mit einer Fläche von 24.600 Hektar ging damit auf den Staat über. Im Gegenzug erhielt der ehemalige Regent eine jährliche Rente von 210.000 Mark, Jagdrechte und das Wohn- und Nutzungsrecht unter anderem in den Schlössern Sondershausen und Gehren.

Marktplatz Sondershausen, o.D. (© Ansichtskarte)

Verfassungsänderungen folgten Anfang Januar 1919. Der Thronanspruch des Hauses Schwarzburg wurde aus der Verfassung entfernt und das Verhältniswahlrecht für Frauen und Männer eingeführt. Bei der ersten Landtagswahl am 26. Januar 1919 gewann die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) mit knapp 63 % der Stimmen die absolute Mehrheit, gefolgt von der Deutschen Demokratischen Partei (DDP, 16 %) und der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP, 15 %). Parlamentspräsident wurde der USPD-Abgeordnete Wilhelm Bärwinkel. Am 1. April beschloss der Landtag eine neue Landesverfassung. Es war die Einzige in den Thüringer Staaten, die keinen Hinweis darauf enthielt, nur vorrübergehend gültig zu sein. Mit der Gründung des Landes Thüringen am 1. Mai 1920 hörte der Freistaat Schwarzburg-Sondershausen formell auf zu existieren. Der Beitritt wurde am 19. Juni mit 13 zu 3 Stimmen durch den Landtag bestätigt. Bis zum 1. April 1923 wurde der einstige Staat als Kommunalverband höherer Ordnung geführt. Anschließend war die vollständige Eingliederung in das Land Thüringen vollzogen.