100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Nach der Verfassungsfeier am 11. August 1922 verlassen Reichspräsident Friedrich Ebert und Reichskanzler Joseph Wirth das Reichstagsgebäude in Berlin, Foto: Bundesarchiv BildY 1-543-206-71.

Während die erste zentrale Feier der Reichsregierung im Jahre 1921 noch recht bescheiden ausgefallen war, gelang 1922 der „Übergang von einem zögerlichen und gehemmten zu einem entschiedenen und feierlichen Republikanismus“, wie es Bernd Buchner 2001 bezeichnete. Das Reich befand sich nach der Ermordung Walther Rathenaus am 24. Juni 1922 und dem Inkrafttreten des Republikschutzgesetzes vier Wochen später in einer innenpolitischen Krise. Vor diesem Hintergrund ging die Regierung offensiver mit dem politisch-moralischen Anliegen des Verfassungstages um. Als Motto für die Feier im Reichstag bestimmte sie richtungweisend die Zeile „Einigkeit und Recht und Freiheit“ aus der 3. Strophe des Liedes der Deutschen von Hoffmann von Fallersleben, die Reichspräsident Ebert zudem als Nationalhymne ins Spiel brachte. Daneben bürgerten sich ab 1922 zwei feste Bestandteile des Programms der Feierlichkeiten in Berlin ein, die im Prinzip bis zum Ende der Weimarer Republik beibehalten wurden. Neu war auch, dass nach dem Ende der Feierstunde die Türen des Reichstages symbolisch geöffnet wurden, um eine „Begegnung“ der Abgeordneten mit dem schaulustigen Volk vor dem Gebäude zu inszenieren. Redslob begründete dies im Rundfunk mit den Worten, der 11. August solle dazu beitragen, die scharfe Trennung zwischen den geladenen Gästen und den Zuschauern der Militärparade zu überwinden. Zukünftig müsse die Republik Feierformen entwickeln, die „dem Volksstaat“ entsprechen würden. Immerhin räumte auch der gegenüber solchen Selbstdarstellungen des Staates äußerst skeptische Carl von Ossietzky rückblickend ein, in den frühen Jahren der Republik konnten die Verfassungstage auf diese Weise „mobilisieren, zur Verteidigung der bedrohten Republik auffordern.“

Enthüllung der Gedenktafel zur Erinnerung an die Verfassungsgebung am 11. August 1922 durch Margarete „Addie“ Frölich und August Baudert, links Staatsrat Rudolph, Foto 1922, Stadtarchiv Weimar.

In der Landeshauptstadt Weimar fanden vormittags Schulfeiern statt, die allerdings mit „Ansprachen an die Jugend“ und „vaterländischen Liedern“ im althergebrachten Stil abgehalten wurden. Im Vorfeld des 11. August war das vom Thüringischen Volksbildungsministerium ausdrücklich so nicht gewünscht worden. Am Nachmittag umstellten die Schüler der oberen Schulklassen den Theaterplatz und bildeten somit den feierlichen Rahmen für die Enthüllung der „Gedenktafel zur Erinnerung an die Verfassungsgebung“, die an der Fassade des Deutschen Nationaltheaters angebracht wurde. Die Gebietsregierung von Sachsen-Weimar-Eisenach lud zu diesem demonstrativen Akt ein. Die Festrede hielt Staatsminister August Baudert (SPD), der in republikanischen Kreisen einen legendären Ruf genoss, indes unter Anhängern der Monarchie verhasst war. Baudert gehörte 26 Jahre dem Landtag von Sachsen-Weimar-Eisenach an und forderte als Parlamentsabgeordneter und Vorsitzender des Arbeiterrates am 9. November 1918 Großherzog Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar und Eisenach zum Rücktritt auf. Er legte ihm eine entsprechende Erklärung des weimarischen Arbeiter- und Soldatenrates vor. Als Staatsminister der Gebietsregierung Sachsen-Weimar-Eisenach gestaltete er den verfassungsmäßigen Übergang vom Großherzogtum Sachsen zum Freistaat Thüringen maßgeblich mit. Baudert verkörperte geradezu den Wechsel von der konstitutionellen Monarchie zur bürgerlichen Demokratie, wie Jens Riederer 2015 einschätzte.

Erfurt


12. Aug. 1922

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Land Preußen und Stadt Erfurt, Sitzungssaal des Regierungspräsidenten von Erfurt

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Festrede: Stadtarchivar Prof. Dr. Alfred Overmann, Erfurt,  zum Thema „Erfurt in der Geschichte der deutschen Verfassung“;

anwesend: Beamte der preußischen und städt. Behörden, Bürger*innen der Stadt.

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

JV, 12.8.1922, „schlichte, würdige Feier“, abends Konzert der Kapelle des Kommandos der Schutzpolizei Erfurt im Steigergarten, schulfrei mit Festakten, alle öffentlichen Behörden wurden schwarz-rot-golden beflaggt.

Weimar


11. Aug. 1922

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Gebietsregierung Sachsen-Weimar-Eisenach, Deutsches Nationaltheater/ Theaterplatz

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Hauptredner: Staatsminister August Baudert;

anwesend: Margarete Frölich (Tochter von August Frölich); Fritz Peters (Dirigent).

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

AThLD, 12.8.1922, Anbringen der Gedenktafel zur Erinnerung an die Verfassungsgebung an der linken Vorderfront des Theaters, im Anschluss Kundgebung auf dem Theaterplatz mit Schulkindern.