100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Reichspräsident Friedrich Ebert in der Ehrenloge des Reichstages anlässlich der Verfassungsfeier am 11. August. Im Hintergrund eine Tafel mit dem Text der Präambel der Reichsverfassung, Foto 1924, Bundesarchiv Bild 102-00607.

Wilhelm Marx, Foto 1925, Bundesarchiv Bild 102-01121.

Karl Jarres, Foto um 1925, Bundearchiv Bild 102-01175.

Den Kabinetten des Reichskanzlers Wilhelm Marx gehörten ausschließlich bürgerliche Minister an, darunter der Reichsminister des Inneren Karl Jarres (DVP). Jarres schlug der Reichsregierung vor, die bevorstehende Verfassungsfeier im Reichstag mit einer Gedenkfeier für die im Ersten Weltkrieg Gefallenen zu verbinden. Dem eigentlichen Anliegen des 11. August wäre auf diese Weise keinesfalls entsprochen worden. Reichspräsident Ebert betonte jedoch, dass er Wert darauf lege, dass der Verfassungstag „in den herkömmlichen Formen“ stattfände, ebenso wie die aus diesem Anlass eingeführten Schulfeiern.

Jenaer Volksblatt vom 12. August 1924, Quelle: Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena.

Vor dem Hintergrund dieses ersten offenen Affronts reichsnationalistischer Kreise rief das „Jenaer Volksblatt“ die gesamte Einwohnerschaft der Stadt und ausdrücklich auch die – dank der neuen Reichsverfassung wahlberechtigten – Frauen dazu auf, an der angekündigten Verfassungsfeier im Volkshaus teilzunehmen. „Republikaner, erscheint in Massen!“, hieß es in dem Blatt, das zu dieser Zeit als Organ des Thüringer Landesverbandes der DDP galt. Doch von einem großen Zuspruch konnte keine Rede sein, wie das „Volksblatt“ in seinem Leitartikel „Die Verfassungsfeier in Jena“ am 12. August 1924 resümierte. Die Redakteure unterstellten dem Öffentlichen Dienst, die Feier regelrecht boykottiert zu haben. Oskar Bandtlow sei der einzige Beamte aus den Behörden der Stadt Jena und des Reiches gewesen, der an der Feier teilgenommen habe! Um zu erklären, warum fast alle Reichs- und Kommunalbeamten aus den ortsansässigen Dienststellen der Verfassungsfeier ferngeblieben waren, führte die Zeitung aus, es sei inzwischen für Staatsdiener karriereschädigend geworden, sich zur Republik zu bekennen. Noch heftiger kritisierte „Das Volk“ den mäßigen Besuch und verwies zur Erklärung auf den Festredner. Noch am 13. August 1928 bezog sich die Zeitung rückblickend auf die Verfassungsrede des Universitätsprofessors Heinrich Gerland, die einer Verherrlichung Otto von Bismarcks gleich gekommen wäre. Was die Arbeiterklasse dem „Eisernen Kanzler“ zu danken habe, seien nichts weiter als das Sozialistengesetz, Polizeiknüppel, Entrechtung, Militarismus und Marinismus.

In diesem Jahr marschierten erstmals Angehörige des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold am Sonntag vor dem Verfassungstag in größeren Städten auf. Es handelte sich um den mitgliederstarken Verband republikanischer Kriegsveteranen. Zu diesem Zeitpunkt verzichtete das Reichsbanner am 11. August in der Regel auf Großveranstaltungen in den Innenstädten Thüringens, um einem guten Besuch der kommunalen Verfassungsfeiern nicht im Wege zu stehen. Eine Ausnahme bildete die Feier des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold am 10. August in Weimar, die dem fünfjährigen Verfassungsjubiläum gewidmet wurde. Allerdings konnte sie nur unter scharfen Auflagen des Thüringischen Innenministers Georg Sattler (DNVP) stattfinden, der sich auf den in Thüringen noch nicht aufgehobenen zivilen Ausnahmezustand berief. Aus dem ursprünglich vorgesehenen Festprogramm musste das „Wecken“ der Kameradschaften des Reichbanners durch Trompetenstöße und ein geplanter Fackelzug gestrichen werden. Bemerkenswert war, dass Angehörigen der Landespolizei ausdrücklich die Teilnahme verboten wurde, weil diese Verfassungsfeier „parteilichen Charakter“ tragen würde. Diese fadenscheinige Rechtfertigung führte Sattler wiederholt an, wenn er Aufzüge des Reichsbanners in Thüringer Städten zwischen 1924 und 1927 beauflagte oder verbot. Auch in Weimar wurde dem Reichsbanner an diesem Tag eine Demonstration durch die Innenstadt untersagt. Die Veranstaltung musste in einen Saal verlegt werden. Der größte Skandal bestand indessen darin, dass die Ausführungen des liberaldemokratischen Politikers Hugo Preuß im Nachhinein vom Innenministerium als Verstoß gegen die Polizeiauflagen gerüffelt wurden. Der Festredner habe die Verfassungsfeier für „parteipolitische“ Zwecke missbraucht, hieß es zur Begründung aus dem Ministerium.

Daraufhin hob das „Jenaer Volksblatt“ ausdrücklich hervor, dass insbesondere die Gebäude in der Bahnhofsstraße unweit der Landesministerien mit zahlreichen Fahnen in den Reichsfarben geschmückt gewesen seien. Auf dem Karlsplatz hingen ebenfalls viele schwarz-rot-goldene Fahnen am Postgebäude. Obwohl es im Vorfeld des Verfassungstages schwierig gewesen sei, in Stoffläden schwarze, rote und goldene Farbstreifen zu kaufen, was wohl als Spitze gegen kleine Einzelhändler gedacht war. An der kommunalen Feier tags darauf nahm auch eine Abordnung des Reichsbanners teil, daneben waren einige Vertreter der Thüringischen Staatsregierung, aber kaum Mitglieder des Weimarer Stadtrats erschienen, in dem eine bürgerliche Sammelliste seit 1922 die weitaus stärkste Fraktion stellte. In der größten Stadt des Landes, Gera, führte der Stadtvorstand auch 1924 keine amtliche Verfassungsfeier durch.

Hermann Brill, Vorsitzender des Gaues Thüringen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Hauptredner der Verfassungsfeier in Weimar, Foto undatiert, Bundesarchiv Bild 146-1974-008-05.

Jena


11. Aug. 1924

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Stadt Jena, möglicherweise in Verbindung mit der DDP, Großer Volkshaussaal, 20 Uhr, „nur verhältnismäßig schwach besucht“ (JV).

Da das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold auf eine eigene Feier am Vormittag verzichtete, wurden die Mitglieder seiner Jener Ortsgruppe aufgefordert, an der Feier „vollzählig“ teilzunehmen. Im „Volk“ hieß es, ohne die Reichsbanner-Mitglieder wäre der Saal gähnend leer gewesen. Dennoch sei der Besuch nur mäßig gewesen.

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Einlader: stellv. Stadtdirektor, Stadtbaudirektor Oskar Bandtlow,

Festredner: Prof. Heinrich Gerland (DDP, M.d.R.); 

Die Rede Gerlachs wurde im JV ausführlich referiert, der zum Abschluss ausrief: „Unser geliebtes deutsches Vaterland, die deutsche demokratische Republik lebe hoch!“

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

JV, 11.8.1924; vgl. die Kritik der Veranstaltung im „Volk“, Beilage „Der Sammler“, 12.8.1924, S. 2; JV, 12.8.1924, Titelseite: „… überaus geschmackvolle Ausstattung der Bühne“, weiß-rote und schwarz-rot-goldene Fahnen lagen aus.

Orgelvorträge von R. Reinhardt, jun. Die Bühne des Volkshauses wurde durch die Stadtgärtnerei geschmückt.

Weimar


10. Aug. 1924

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Aufmarsch mehrerer Ortsgruppen des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Gau Großthüringen.

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Hauptredner: Hugo Preuß (DDP, Reichsbanner) und der Vorsitzende des Gaues Großthüringen des Reichsbanners, Hermann Brill.

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

JV, 11.8.1924; Oberbürgermeister Dr. Wilhelm Külz verfasste einen Leitartikel, in: AThLD, 11.8.1924.

Weimar


11. Aug. 1924, abends

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Stadt Weimar, offizielle Verfassungsfeier der Stadt, Saal in der „Armbrust“, „schwach besucht“. Ein Mitglied des Reichsbanners habe ein Hoch auf „die deutsche Republik“ ausgebracht (Riederer 2015, 7f.).

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Festredner: Gymnasialprof. Dr. Eduard Scheidemantel (DDP);

Begrüßungs- und Schlussworte: Bürgermeister Erich Kloss (SPD).

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

AThLD, 12.8.1924; „Das Volk“, 12.8.1924 berichtete sehr distanziert über diese Feier, zumal der Saal nicht geschmückt gewesen sei.