100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Im Frühjahr wurde Paul von Hindenburg im zweiten Wahlgang mit knapper Mehrheit zum Reichspräsident der Weimarer Republik gewählt. Zuvor war im Wahlkampf der Konflikt um die Symbolfarben der Monarchie und der Republik auf nationaler wie regionaler Ebene erneut eskaliert. Ein „Volksblock“ stand für die Farben Schwarz-Rot-Gold und musste sich mit dem „Reichsblock“ unter Führung Hindenburgs auseinandersetzen, in dessen Wahlwerbung die Farben Schwarz-Weiß-Rot dominierten (Ziemann 2014). Außerdem bekleidete seit Januar mit dem deutschnationalen Abgeordneten Martin Schiele erstmals ein erklärter Gegner der Verfassung das Amt des Reichsministers des Innern. In dieser Funktion stellte Schiele kein Material für die Ausgestaltung der Reichsverfassungsfeier in Berlin zur Verfügung. Dennoch gab es nunmehr keine Versuche mehr, diese zentrale Feier des Verfassungstages im Reichstag zu torpedieren. Sie sei fortan ordnungsgemäß in einem würdigen Rahmen durchgeführt worden (Buchner 2001). Allein dies habe verdeutlicht, „dass sich der Verfassungstag bereits als eine Art gewohnheitsrechtliche Institution einen nicht geringen Respekt erworben zu haben schien.“ Unter Demokraten löste freilich noch das „steif gebügelte Zeremoniell“ (Jeßner 1925) der Feierstunde Kritik aus, da dies nicht dem Charakter eines „Geburtstages der Republik“ gerecht werde.

Jenaer Volksblatt vom 10. August 1925, Quelle: Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena.

Angesichts ihrer Niederlage bei der Reichspräsidentenwahl im Frühjahr wollten die Anhänger der Republik am Verfassungstag im wahrsten Sinne des Wortes Flagge zeigen, also die Standarte der Republik unübersehbar in der Öffentlichkeit präsentieren. Doch in Jena würde der Jenaer Stadtvorstand keine Verfassungsfeier vorbereiten, wie die „Jenaische Zeitung“ aus zuverlässiger Quelle erfahren habe, meldete die sozialdemokratische Landeszeitung „Das Volk“ am 7. August. Alternativ organisierte die Ostthüringer Kreisgruppe des Reichsbanners kurzerhand eine Großkundgebung. Ihre Mitglieder gingen von Haustür zu Haustür, um schwarz-rot-goldene Fähnchen zum Schmücken der Gebäude anzubieten. In diesem Zusammenhang entwarf das „Jenaer Volksblatt“ am 10. August in seinem Leitartikel „Im Zeichen von Schwarz-Rot-Gold!“ eine Art „republikanische Topographie“ (Rossol 2011) der Jenaer Altstadt. Demnach wohnten in der Leutrastraße seit Langem besonders viele Anhänger der gestürzten Dynastien. Die Redaktion sprach von der „schwarz-weiß-rotesten Straße“ in der Universitätsstadt. Infolgedessen bewertete sie es als Erfolg, dass am Verfassungstag dort auch 20 schwarz-rot-goldene Fahnen gezeigt worden wären. Ihre Schlussfolgerung lautete: Weimar sei nicht mehr eine Republik ohne Republikaner! Im redaktionellen Teil unterschied die Zeitung freilich streng zwischen den „amtlichen Verfassungsfeiern“ und der Feststimmung unter „der Bevölkerung“. Letztere hätte 1925 „sämtliche Erwartungen weit übertroffen“, hieß es überschwänglich. Denn Millionen von Bürger*innen bezeugten im gesamten Reich, dass sie auf dem Boden des „Grundgesetzes“ (von Ossietzky) der Weimarer Demokratie stehen und von ihm nicht mehr wanken und weichen würden. Alle Versuche „der Reaktion“, an der Republik zu rütteln, seien deshalb zum Scheitern verurteilt.

Die „Geraer Zeitung“ vermittelte ihrer Leserschaft allerdings einen völlig konträren Eindruck von der Kundgebung des Reichsbanners in Jena. Die Bevölkerung habe „herzlich wenig Anteil“ am „reichsbannerlichen Tamtam“ genommen. Mehrheitlich sei sie dem Aufruf in der Lokalpresse nicht gefolgt, in den meisten Straßen seien keine schwarz-rot-goldenen Fahnen zu sehen gewesen. Die Bürgerschaft habe sich von der Ansprache als „wahrhaft nationale Deutsche“ durch das Reichsbanner nicht täuschen lassen. Denn es handele sich in Wahrheit um eine „demokratisch-sozialistische Parteigrippe“. Die Verunglimpfung des Bundes als bloße Parteitruppe der SPD und DDP war in der auflagenstarken, rechtskonservativen Provinzpresse gang und gäbe. Generell wurde den Anhängern der Republik damit unterstellt, die Kräfte „der Nation“ zu zersplittern, also den Zerfall in korrupte, rein materiell orientierte Interessengruppen herbeizuführen, die in den Parlamenten nur um ihren eigenen Vorteil feilschen würden. Aufgrund des „überparteilichen“ Blockdenkens wirkte diese Parteien-Schelte im reichsnationalistischen Lager integrierend. Entsprechend dieser Rhetorik erschien es nur folgerichtig und besonders patriotisch zu sein, perspektivisch die demokratischen Wahl- und Führungsprinzipien in der eigenen Partei aufzugeben. Die Verfassungsfeiern in der Landeshauptstadt verliefen dagegen in einem betont gemäßigten Rahmen. So nahmen in diesem Jahr Ministerialdirektor Dr. Ernst Wuttig, Kreisdirektor Dr. jur. Otto Röhrig, der Vorsteher des Stadtrats, Otto Junker, und Staatsminister a.D. Dr. Arnold Paulssen als Gäste teil. Mit Blick auf die Jahre 1924 bis 1926 unterschied Jens Riederer unter den Festrednern dieser städtischen Feiern in Weimar subtil zwischen Vernunfts- und Verlegenheitsrepublikanern. 

Apolda


10. Aug. 1925

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Stadtratssitzung: Stadtdirektor Ernst Stegmann räumte auf Nachfrage der SPD-Fraktion ein, nichts von Beschlüssen der Reichs- und Landesregierungen zu wissen, allgemeine Verfassungsfeiern abzuhalten. Vorwurf einer „Obstruktion der Verfassungsfeiern“ wird gegen ihn als OB erhoben. Der Stadtrat beauftragt den OB mit 12 gegen 7 Stimmen, eine solche Feier für den 11. August vorzubereiten.

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Einladung in den großen Saal des Bürgervereins erfolgte danach. Als Festredner vorgesehen: Berufsschullehrer Gustav Leinhos, Apolda.

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

AThLD, 10.8.1925.

Apolda


11. Aug. 1925

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Stadt Apolda, Sitzungssaal des Bürgervereins

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Stadtdirektor Ernst Stegmann; öffentliche Feier aus Anlass der Wiederkehr des Verfassungstages

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

in: AThLD, 12.8.1925, Nr. 218, S. 4

Jena


9. Aug. 1925

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Im „Volk“ erschien der Artikel „Willkommen im schwarz-rot-goldenen Jena!“, der eine republikanische Tradition umriss, die auf 1848 und den Thüringer Wahlverein der 1860er Jahre zurückgeführt wurde.

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Die Zeitung kritisierte die Uni-Professoren und Studenten scharf. So habe die Tierklinik am Verfassungstag die Thüringen-Fahne herausgehängt, obwohl sie eine Fahne in den Farben der Republik besitzen würde.

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

„Das Volk“ 12.8.1925, letzte Seite

Jena


9. Aug. 1925, 11 Uhr, Markt

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Das Reichsbanner, Kreis III im Gau Großthüringen (Apolda, Weimar und Jena), führte hier den ersten Aufmarsch durch, etwa 2.000 Teilnehmer, laut AThLD, 10.8.1925, nur 1.300, wie die GZ vom 12.8.1925 berichtete, der Festzug sei mit etwa 1.250 Teilnehmern „recht kümmerlich“ gewesen; die anschließend zur Rasenmühleninsel zogen, auf der am Nachmittag ein Volksfest stattfand.

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Festakt auf dem Markt, dort sprach neben dem Kreisführer Georg Appell auch „Genosse Emil Hädrich“ als „Vertreter der Stadt“, begrüßte im Namen des „republikanischen Jenas“, danach sprach Nürnbergs OB Hermann Luppe (SPD); Hauptredner auf dem Festplatz am Nachmittag: Prof. Dr. Walter Schücking, Berlin (DDP, M.d.R.).

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

Anzeige im „Volk“ vom 7. Aug., Aufruf, am Verfassungstag die Fahnen der Republik herauszuhängen, „Das Volk“, 10.8.1925, detaillierter Bericht „Der Tag der Millionen!“  und Artikel „Verfassungstag“ in der Rubrik „Jena und Umgebung“.

Rudolstadt


9. Aug. 1925

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Veranstalter: Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, Vertreter des Landkreises und der Stadt nahmen offiziell teil; am Abend zuvor fand ein Fackelzug statt, an dem sich etwa 700 Personen beteiligten, die Fahnen von 1813 und 1848 mitführten.

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

 

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

JV, 11.8.1925.

Weimar


11. Aug. 1925, abends

Veranstalter, Tagungsort und überlieferte Zahlen der Teilnehmer:

Stadt Weimar, Stadthaussaal; spärlicher Besuch, Einladungen des Stadtdirektors Dr. Walther Felix Mueller ergingen an Vertreter der öffentl. Behörden, Körperschaften, Verbände und Vereine.

Hauptredner, Akteure und Gestalter vor Ort:

Festredner: Studiendirektor Dr. Arnold Freysoldt, Weimar.

Julius Bab (Dichter) nahm nur an der Feier des Reichsbanners teil.

Format und Ausstattung der Verfassungsfeier:

JV, 10.8.1925;

AthLD, 12.8.1925, der Festsaal sei nicht in den Reichsfarben ausgestaltet worden. Selbst Rednerpult und Bühne entbehrten demnach jeglichen Schmucks.