100 Jahre Thüringen
Staatskanzlei Thüringen Weimarer Republik e.V. Forschungsstelle Weimarer Republik an der Uni-Jena

Ein Bildhauer Weimars

Überregional wenig bekannt war der Weimarer Bildhauer Joseph Heise. In seiner Wahlheimat genoß er jedoch eine gewisse Berühmtheit. Viele seiner Kunstwerke zieren bis heute den Stadtfriedhof und verschiedene Parks. Auch in anderen thüringischen Städten wie Hermsdorf standen die Monumentalfiguren Heises. Dort wurde seine Weltkriegsstatue allerdings nach 1945 abgerissen.

Der von Heise gestaltete Miedingstein auf dem Weimarer Stadtfriedhof

Weimarer Nachrichten.

– Bildhauer Joseph Heise, Weimar. Unter den tüchtigen und bedeutsamen Bildhauern, die wir jetzt in Weimar besiten, klingt immer wieder der Name Heise an unser Ohr, und wenn man bedenkt, wenn man überschaut, was dieser Künstler an ernsten, würdigen und so verschiedenartigen Werken in den letzten Jahren geschaffen hat, so muß man staunen über seine Arbeitskraft und –Freudigkeit, über den Reichtum seiner Phantasie und über die Gabe, jedem Stil, jeder Ideenverkörperung innerhalb des Stils, aus dem sie hervorgewachsen ist, gerecht zu werden. Das Wachsen dieses Künstlers in den letzten Jahren ist der beste Beweis für die Energie, mit der er weiter strebt, für sein Aufgehen in seiner Kunst, die ihm keine höheren Ziele kennen läßt, als ihren Priesterdienst, als Hingabe an sein Werk. Er ähnelt darin den alten Meistern, denen die Kunst so heilig galt, daß sie immer dem Leben gegenüber die stärkere blieb, daß der Geist, der sie belebte, auch in das persönliche Leben hinüberklang, daß es nicht möglich war, den Ernst und die Echtheit des Künstlers von der Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit des Menschen und seiner Beziehungen zum Leben zu trennen. Ein echter Sohn westfälischer Lande, deutsch bis in den innersten Kern seines menschlichen und künstlerischen Empfindens, verfügt er doch bei aller Subjektivität seines Denkens über eine ungemein bewegliche Anpassungsfähigkeit an seinen jeweiligen Stoff, wie sie dem subjektiven Künstler in den seltensten Fällen gegeben ist, und die ihren Grund darin haben mag, daß er, mit jedem Handwerkszeug vertraut, in jeder Arbeitsweise bewandert, im Bildhaueratelier seines Vaters aufwuchs und das Handwerkliche in seiner Kunst gewissermaßen spielend als Beiwerk geistigen Schaffens erlernte. Hier erfuhr er wohl auch frühzeitig, daß es kein Stillestehen geben darf und daß jedes Werk, einerlei welche Darstellungsart, welche in sich gegliederte Stilverschiedenheit es aufweist, ein Fortschritt gegen das Vergangene sein muß, wenn anders ein Künstler sich zu überschauenden Höhen emporkämpfen will. Daß Joseph Heise, der in starkem Aufstieg in dauerndem Weiterstreben begriffen ist, sich den Sieg über alle Hemmnisse von Material, Formung und künstlerischen Widerständen aller Art, die den Besten hemmend entgegentreten und die überwunden sein wollen, erringen wird, steht wohl außer allem Zweifel; dazu braucht man nur die rastlose Arbeitsfreudigkeit des Künstlers zu beobachten, unter dessen formenden Händen Werk auf Werk in reichstem Wechsel ersteht. Waren auf unserem Friedhof seine älteren Werke mehr unwillkürliche Nachempfindungen altdeutscher Kunst, so sprechen die freien Phantasiegestalten eine durchaus persönliche Sprache. Namentlich der ruhende Jüngling, der in Kampfesbereitschaft von allen Qualen des Kampfes befreit, in sinnendem Betrachten das Menschenleben an seinem Blick vorübergleiten läßt, und die Frauengestalt, die links am Wege beim Aufstieg zur Kapelle von der Berkaer Chaussee aus einem der Landschaftsgräber zum edlen, monumental geformten Schmuck gereicht. Ganz anderen, den Barockverzierungen alter Parks näher kommenden Charakter tragen die Arbeiten, mit denen der Künstler jetzt in seinem Atelier beschäftigt ist. Sie sind gedacht als Kolossalgestalten für einen Park. Ein Mann, der sich in Sehnsucht zum Weibe wendet, dessen Blick aber, wie von der größeren Macht der Arbeit angezogen, an der Frau vorbei ins Leben sieht; eine ruhende Frau, die träumend niedersieht auf einen Wasserspiegel. Die Gestalten ließen sich als Verkörperungen von Tag und Abend denken. Eine Badende, die trotz der kolossalen Dimensionen doch das fließende Weiche der Form behalten hat und die im Freien ganz besonders schön wirken wird. Ein Knabe und ein Mädchen von schlankem, straffem Körperbau, mit Reif und Stab als Sportverkörperungen, realistischer in der Gestaltung für Bronze. Puttengruppen in Kampf und Spiel an einer Brücke, wie im Streit um die Brücke komponiert. Ein Entenbrunnen, dessen Wasser die Enten überrieselt, vortretende Reliefs eines Rossebändigers und einer Amazone mehr in antikem Stil ins Moderne übersetzt. Zum Architektonischen hinneigende Vasen und eine streng geformte Ruhebank. An allen Dingen arbeitet der tätige Künstler. Mögen aus seiner Schaffensfreudigkeit von Jahr zu Jahr immer neue Werke entstehen, die seinen Namen weit hinaustragen, möge er aber dauernd Weimar, als der Stätte seiner rastlosen Arbeit, treu bleiben.

Quelle:

Weimarische Landes-Zeitung vom 22.8.1920

 

Bild:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Martin_Mieding#/media/Datei:Miedingstein.jpg